[Wikide-l] Wikipedia ist politisch nicht aktiv. Scheiss drauf

Thomas Hochstein ml at ancalagon.inka.de
Mo Jun 20 08:16:13 UTC 2005


"Agon S. Buchholz" schrieb:

> Du hattest in Antwort auf einen Einwand von Paul argumentiert, dass man 
> auf das Verfassen eines Leserbriefes verzichten solle, wenn man 
> befürchte, dass einem daraus Nachteile entstehen könnten; angeblich 
> veröffentlichen Zeitungen die Adresse des Leserbriefschreibers, so 
> behauptest Du zumindest in Deiner Antwort auf Pauls Mail, und diese 
> angebliche Veröffentlichung der Adressdaten setzt Du in Analogie zu den 
> Pflichtangaben im Impressum einer Website: Wer Nachteile befürchtet, 
> soll es doch lieber sein lassen.

Der Vergleich ist natürlich schief. Wer im Netz publiziert, ist nicht
Leserbriefschreiber, sondern Herausgeber einer Zeitung o.ä. Druckwerks
- nur online. Daher gelten dieselben Maßgaben.

> Das
> ist argumentativ nicht lauter, da die Impressumspflicht eben nicht
> trivial (sie lädt eben, im Gegensatz zu den Angaben in Verbindung mit
> einem Leserbrief, zu Mißbrauch ein; erzwungenermaßen korrekte da 
> rechtlich sanktionierbare Angaben sind wohl auch kaum mit irgendwelchen 
> dubiosen Adressdatenbanken vergleichbar) und auch nicht notwendig ist 

Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Ich teile die Deinige nicht.

> (der Rest des die Meinungsfreiheit achtenden Teils der Welt kommt ja 
> auch ohne solche Angaben aus,

Das ist ein Nullargument.

> und ohne extrem restrikive Maßnahmen 
> werden derartige Pflichtangaben ganz sicher keinen Schutz vor wirklich
> kriminellen Energien bieten;

(Fast) _nichts_ schützt vor "wirklich kriminellen Energien".

> Also forderst Du, "Vorschriften" aus
> Prinzip einzuhalten und nicht zu hinterfragen, oder wenn man sie doch
> hinterfragt, sich dennoch an sie zu halten

So ist es. Ein solches Verhalten ist elementar für einen Rechtsstaat.

> Du vergisst dabei, oder möchtest vergessen machen, dass "ungesetzlich" 
> eben nicht gleichbedeutend mit "unrecht" ist,

In einem Rechtsstaat ist es dennoch für sein Funktionieren für alle
Bürger zwingend, von Ausnahmefällen abgesehen rechtliche Normen auch
dann zu beachten, wenn man sie ablehnt. Wenn jeder nur die Gesetze
befolgt, die er gerade - für sich - für sinnvoll hält, bräuchten wir
keine.

> Tatsache ist nun einmal, dass beispielsweise weder die französische
> noch die US-amerikanische Verfassung in ihren heutigen Formen existieren
> würden, wenn es nicht die Möglichkeit gegeben hätte, anonym zu
> publizieren.

Die gibt es doch. Siehe Wikipedia. Du brauchst nur jemanden, der Dir
eine Plattform bereitstellt. Auch in einer Zeitung kannst Du anonym
publizieren - Du kannst nur nicht eine solche anonym herausgeben. :)

> Einstellungen eines derartig duckmäuserischen und vor allem
> unreflektierten Obrigkeitsgehorsams sind m.E. in der Wikipedia fehl am
> Platze; nicht unrichtig ist sicherlich, dass anonyme Edits, wie Du
> schreibst, "überwacht [...] und falls notwendig eben in der
> Versionsgeschichte versenkt werden"; in dem von Dir immer wieder
> vorgeführten Geist bedeutet das aber plötzlich, dass anonyme Edits nicht
> uberwacht werden, weil sie potenziell destruktiv, sondern grundsätzlich
> aufgrund ihrer Anonymität suspekt sind;

Das eine ist Folge des anderen.

> Entweder man akzeptiert die
> grundsätzliche Berechtigung und Notwendigkeit von Anonymität und damit
> auch die von Grenzüberschreitungen

Nein, das eine folgt nicht, wie Du behaupten möchtest, aus dem
anderen.

-thh