[Wikide-l] Umfassende Zuständigkeit deutscher Gerichte bezüglich Internetveröffentlichungen

Agon S. Buchholz asb at kefk.net
Sa Jun 11 14:24:57 UTC 2005


elwp at gmx.de wrote:

> Wievele kostenpflichtige Abmahnversuche gab es bislang und wieviel 
> wollten die Anwälte durchschnittlich haben? Mir fällt gerade kein 
> Grund ein, weshalb diese Zahlen nicht in die Öffentlichkeit gelangen
> dürften.

Wenn man über Abmahnversuche berichtet, bringt man vielleicht andere auf 
die Idee, das ebenfalls zu versuchen; ich vermute, das war bei mir die 
Wirkung der ausführlichen Berichterstattung über meine Waldorf- 
Abmahnung: Dose hat etwas von einer Abmahnung gelesen und sich 
möglicherweise gedacht, das könnte er doch auch gleich probieren; 
Ergebnis war eine neue Abmahnung. Außerdem bringt man durch die 
Dokumentation von Argumentationen und Gegenstandswerten so etwas wie 
"Referenzwerte" für andere auf den Tisch, was man auch nicht unbedingt 
will ("der ja jenes abgemahnt, ich finde, mein Schaden ist viel höher, 
also verdopple ich mal den Streitwert"; bei meiner Waldorf-Abmahnung war 
der Streitwert 75.000 Euro, bei Dose waren es dann schon 250.000 Euro). 
Ich kann also durchaus verstehen, dass man selbst aggregierte und 
anonymisierte Angaben eher vorsichtig behandelt (auch wenn ich natürlich 
nicht sicher bin, dass es in meinem Fall wirklich einen kausalen 
Zusammenhang zwischen den beiden Abmahnungen gibt).

Andererseits irritiert mich Geheimniskrämerei in Hinterzimmern zumindest 
ebenso, wie ich Verständnis dafür habe, das man bei bestimmten Dingen 
lieber die Tür schließen möchte; es geht ja nicht allein um Abmahnungen, 
die mangels Verfolgbarkeit im Sande verlaufen, sondern beispielsweise 
auch um Strafanzeigen gegen einzelne Wikipedianer (z.B. Thread "Wir sind 
doch keine kriminelle Vereinigung" auf Wikide-L vor ein paar Wochen). 
Ich weiß nicht, ob mehr Offenheit und Öffentlichkeit nicht vielleicht 
doch eher Wiki-like wäre. Geheimverhandlungen in Rechtsstreitigkeiten 
sind für mich eher ein Merkmal des Big Business, dem die betroffenen 
Communities durch Öffenheit und Öffentlichkeit à la Groklaw [1] 
entgegenzutreten versuchen.

Von der anderen Seite, also der des Abmahnenden und Klagenden, macht das 
Harald Welte vom Netfilter-Projekt imho ebenfalls ziemlich vorbildlich 
[2]; natürlich hat Harald als Verfolger von Verstößen gegen die GNU GPL 
ein ganz anderes Interesse an Öffentlichkeit als der Störer, wichtiger 
ist m.E. aber, dass Harald eine gewisse Transparenzt schafft, und die 
schafft wiederum die Grundlage für Vertrauen.

Wie gesagt, die Interessenlage ist bei gpl-violations.org natürlich 
anders gelagert, aber vielleicht wäre etwas mehr Transparenz auch bei 
rechtlichen Streitigkeiten der Wikipedia hilfreich, auch wenn vielleicht 
nicht alles ganz ruhmreich für die Wikipedia sein sollte. Bei einem 
Graswurzelprojekt mit tausenden von aktiven Teilnehmern sollte doch klar 
sein, dass auch mal Fehler gemacht werden; Transparenz könnte 
beispielsweise helfen, denselben Fehler nicht zweimal zu begehen...

MfG -asb


[1] http://www.groklaw.net/
[2] http://gpl-violations.org/