[Wikide-l] "Internetexperte" "prophezeit" das Ende von Brockhaus und weiteren "Qualitätsangebote" (hoffentlich sind die Weasel-Tags richtig gesetzt)

Henriette Fiebig Henriette.Fiebig at snafu.de
Mi Jul 5 11:15:40 UTC 2006


Erik Moeller wrote:

Hi,

> Der Experte ist genauso wenig unfehlbar wie das Kollektiv. 

hmmja, stimmt schon. Vielleicht definiere ich mal, was ich mit Experte 
meine: das sind Leute, die die Grundlagen des wissenschaftlichen 
Arbeitens verstanden haben und aufgrund von ordentlichen Recherchen 
(nicht Google und dann fröhlich aus dem Internet abgepinnt) ihre Texte 
schreiben. Einer, der die Fachliteratur kennt und ihren jeweiligen Wert 
einzuschätzen weiß (machen wir uns nichts vor: Auch in der Wissenschaft 
wird viel Unfug produziert).

> Wer als
> Experte auf gleicher Ebene mit der Community partizipieren will, muss
> sich auch an die gleichen Regeln halten -- und unter Umständen sehr
> viel Zeit und Nerven investieren.

Tja, an dem Punkt wird es jetzt aber haarig! Wieso sollte der Experte an 
der Community partizipieren wollen? Welchen Anreiz hat er? Daß seine 
Geduld und Demut auf die Probe gestellt werden? Der will sein Wissen und 
seine Kompetenz einbringen und nicht in himmelschreiende 
Endlos-Diskussionen verwickelt werden. Oder so herum: Wenn ich jemandem 
erstmal erklären muß, daß er ein Buch lesen muß, um die Sache kompetent 
beurteilen zu können und das "ich denke aber mal, daß das so und so ist" 
absolut kein Argument ist, dann krieg ich doch schon Pickel. Oder wenn 
ich dreimal nach Belegen frage und als Antwort bekomme, daß der Gefragte 
weder Zeit noch Lust hat zu recherchieren, ob das stimmt was er schrieb. 
Wenn ich ihm dann sage, daß ich tatsächlich recherchiert habe und somit 
beweisen kann, daß das nicht stimmt und er es ja bitte in Quelle X und Y 
nachlesen könne, und der weigert sich weiter nachzulesen und beharrt auf 
seiner Auffassung: Was habe ich da für einen Grund partizipieren zu wollen?

Und jetzt - wenn ich schon mal dabei bin - ganz krass: Ich dachte 
eigentlich, daß wir eine Enzyklopädie schreiben. Es mithin um die 
Vermittlung von Wissen geht. Wieso muß ich da eigentlich die 
Sozialkompetenz mitbringen, mit jedem Troll und Dummkopf pädagogisch 
umgehen zu können? Wieso reicht es nicht, daß ich mein Wissen - nota 
bene: mein mit Quellen belegtes Wissen - zur Verfügung stelle? Wieso muß 
ich eigentlich mit Leuten diskutieren, die von der Sache keine Ahnung 
haben? Das ist doch absurd.

Oder wird die Community in der WP zum Selbstzweck? Man schaue sich nur 
das Trauerspiel auf den Admin-Wahlen an. Mittlerweile gilt es schon als 
Nachteil, wenn Leute vor allem Artikel schreiben: "Dafür braucht man die 
Admin-Knöppe nicht". Und wer ein streitbarer Charakter ist, der hat 
sowieso schon verloren: Da zählt nicht, daß er fachlich gut ist, was 
zählt ist, daß er schön brav und lieb und angepasst ist. Was für Leute 
ziehen wir uns denn da heran? Mittelmäßige, konfliktscheue Ja-Sager 
möchte ich mal vermuten. Da fass' ich mir doch an den Kopf!

> Ich denke, wir brauchen zusätzlich
> zu der direkten Teilnahme an Wikipedia Verfahren der
> Expertenkonsultation, deren Ergebnisse dann in den Diskussions- und
> Bearbeitungsprozess eingebracht werden.

Korrekt! Einem ernstzunehmenden Wissenschaftler ist die WP in dieser 
Form jedenfalls nicht zuzumuten.

Gruß

Henriette
-- 
Reality continues to ruin my life (Calvin)