[Wikide-l] Wachstum der Wikipedias

Ulrich Fuchs mail at ulrich-fuchs.de
Di Feb 3 16:53:18 UTC 2004


> Unter solchen Gesichtspunkten fänden sicherlich mehr Leute, die etwas
> über die technischen Details des Warp-Kernes der NCC-1701-D erfahren
> wollen und die wissen wollen, wie man so einen Dilithium-Kristall
> herstellt. 

Und die kucken in einer entsprechenden Fan-Seite nach. Wir müssten jeden 
dieser Artikel beginnen mit "Ein Dilizium-Kristall ist ein FIKTIVER 
Kristall", damit wir die normal "browsenden" Benutzer nicht irreführen. Die 
sind aber extrem irritiert, wenn sie (ab einer bestimmten Schmerzgrenze) z.B. 
beim klick auf "zufälliger Artikel" irgendwas über die drittletzte Nebenfigur 
eines unbekannten Mangas bekommen. Das beißt sich ganz einfach mit dem 
Anspruch Enzyklopädie zu sein.

Zweitens verprellt sowas hochwertige Autoren. Du wirst keinen Professor der 
Quantenphysik dazu bekommen, was über sein Thema zu verfassen, wenn sein 
Artikel irgendwann von Links auf Warpdrives etc. wimmelt - wenn er ein guter 
Autor ist, wird er sicher bei Gegebenheit auf den Warp-Antrieb hinweisen, 
aber ein Link auf die Rolle, wer den wo im Startrek-Universum erfunden hat, 
wäre schlicht falsch: Grundsätzlich erzeugen Links zu fiktiven 
Figuren/Geschehnissen Rauschen, und eine Enzyklopädie ist primär dazu da, das 
Rauschen auszufiltern. 

> Warum auch nicht? Jedes Partikularinteresse ist zuerst einmal
> zulässig, 

Siehe oben. Ist es nicht, da es zur Verrauschung führt.

> wird dann in Ermangelung von Platz oder Lesbarkeit unstatthaft
> und kann seine Legitimität wiedererlangen, wenn man sich einmal von den
> Grenzen von Papier löst. 

Nein, es erlangt seine Legitimität dann, wenn es kein Partikularinteresse mehr 
ist: Ein "Captain Kirk" ist längst enzyklopädisch, der braucht einen Artikel. 
Eine Mutter von Deana Troy ist es nicht, auch wenn sie eine interessante 
Figur ist.

> (Kurz gefasst: "das ganze Wissen der
> Menschheit- auch deines" oder so). 

Mit der Betonung auf "Wissen". Das ist etwas anderes als "Information".

> Wer sich auf die Prinzipien der
> Wikipedia einlassen kann, wird eh nicht Amoklaufen und Artikel wie
> "Militärdiktatur" mit einem Organigramm des Föderationsrates anreichern.
>
> Ich bin mir sicher, daß du einen Artikel über
> "Star-Trek-Herrschaftsutopie" zulassen würdest, wenn dieser stilsicher
> und gutes Deutsch wäre, inhaltlich das halten würde, was er verspräche
> und auch von Aunt Tillie verstanden würde. 

Nein, das wäre ein integraler Bestandteil des Artikels "Star-Trek". Von mir 
aus ein Unterartikel - aber er gehört zum Begriff "Star-Trek", der - das hab 
ich nie bestritten - gerne einen zehn DIN-A4-Seiten langen Artikel bekommen 
darf.

> eben. En ist da in einigen Punkten weiter 
Ich habe das immer bestritten und werd meine Meinung da auch nicht ändern: En 
ist meines Erachtens auf dem falschen Gleis, das Rauschen hat da längst 
überhand genommen. Anders formuliert: Die Quote enzyklopädisch brauchbarer 
Artikel ist geringer als bei uns, weil Tiefe in Breite umgestrickt wird. Wir 
versuchen das zu vermeiden und schieben zusammen, was zusammengehört.

und hat seine Unschuld nicht
> durch den Artikel über den Slashdot-Effekt verloren.

Das ist ein durchaus enzyklopädisches Thema. Nochmal: Ich hab nix gegen viele 
Artikel zu Spezialthemen. So lange es sich um reale Themen handelt, nicht um 
Fiktion. Wir leben mit einer Enzyklopädie in der Wirklichkeit, nicht in einer 
Phantasiewelt. Trivia haben ihren Platz, Wichtige Bücher, Filme, Alben, 
Serienfiguren haben ihren Platz, aber die Frage muss immer sein: Gibt es eine 
Situation, in der Otto-Normalbürger in die Situation kommt, sowas 
nachschlagen zu müssen, weil beruflich, ausbildungsmäßig oder im Alltagsleben 
von ihm/ihr erwartet wird, das zu *wissen* (oder wissen zu müssen, wo's 
steht). Nochmal: Wer die Mutter von Deanna Troy ist, wird nie jemand 
nachschlagen müssen, weil es keine Situation gibt, in der jemand erwarten 
würde, dass man das weiß. Außer man will eine Aufnahmeprüfung an irgendeiner 
virtuellen Starfleet Academy machen, aber das ist dann weder eine berufliche, 
noch eine bildungsmäßige, noch eine Alltagssituation.

Anders formuliert: Wenn die oben genannten Rahmenbedigungen (man *braucht* das 
Wissen) für einen Begriff nicht zutreffen, senkt ein entsprechender Eintrag 
das Niveau insgesamt ab und verprellt zahllose Autoren, die eben *ernsthaft* 
arbeiten wollen und nicht in einer Kinderkramfanumgebung, weil sie sich 
nämlich selber schaden würden, wenn sie es täten. Das ist ein Argument, dass 
immer wieder vergessen wird.

Uli