[Wikide-l] Etwas wirrer spiegelonline-Text

Klaus Graf klaus.graf at geschichte.uni-freiburg.de
Di Mär 29 13:49:13 UTC 2005


On Tue, 29 Mar 2005 15:09:49 +0200
 Georg Jaehnig <georg.jaehnig at gmail.com> wrote:
> Hallo,
> 
> On Tue, 29 Mar 2005 10:26:40 +0200, Mathias Schindler
> <neubau at presroi.de> wrote:
> >
>
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,348301,00.html
> > 
> > Abgesehen davon, daß der Verlag in der geschilderten
> Situation
> > vermutlich recht hat, 
> 
> So ganz verstehe ich nicht:
> 
> | Doch Versionen aus Schulbüchern sind zum Teil gekürzt
> und vereinfacht, 
> 
> Und das sichert bereits Schöpfungshöhe und damit
> Urheberrecht?
> 
> | außerdem gilt ein besonderes Recht für Schulbücher. Von
> der
> | Urheberrechtsfrage abgesehen entstehe dem Verlag
> massiver
> | wirtschaftlicher Schaden, sagte Wolfgang Dick: Wenn
> sich Schüler
> | die Lösungen ihrer Übungen aus dem Internet kopierten,
> kauften
> | die Schulen das Lehrbuch nicht mehr. 
> 
> Das verstehe ich ganz besonders nicht. Würde denn analog
> dazu auch gelten:
> 
> "... außerdem gilt ein besonderes Recht für
> Enzykolpädien. Von der
> Urheberrechtsfrage abgesehen entstehe dem Verlag massiver
> wirtschaftlicher Schaden: Wenn sich Menschen Ihr Wissen
> kostenlos aus
> dem Internet kopierten, kauften sie die gedruckte
> Enzykolpädie nicht
> mehr. "

Wie ueblich kapieren Journalisten urheberrechtliche
Feinheiten nicht. Die vom Schulbuchverlag redigierten
lateinischen Texte werden aehnlich wie Bearbeitungen
gemeinfreier Kompositionen gesehen und ein
Bearbeiterurheberrecht beansprucht. Ob dieses zu Recht
besteht, mag man bestreiten. Da der Caesartext in
Schulbuechern wohl einer einheitlichen massgeblichen
Ausgabe (Teubner?) folgen duerfte, deren Editionsschutz,
wenn er je bestanden hat, abgelaufen ist (siehe 
http://www.jusline.de/Wissenschaftliche_Ausgaben_70_UrhG.html
), kann diese Ausgabe als Ganzes oder in grossen Teilen
bedenkenfrei uebersetzt werden, wobei allenfalls daran
gedacht werden kann, dass die Kennzeichnung von
Auslassungen und Bearbeitungen (etwa mit eckigen Klammern)
gegen die Bearbeiterurheberrechte des Verlags verstoessen
koennte, da daraus das geschuetzte Werk rekonstruierbar
waere.

Wieso sollte sich ein Schueler nicht auf die
Wissenschaftsfreiheit berufen koennen? (BTW: Nach meiner
Auffassung ist die Wikipedia eindeutig als
wissenschaftliches Werk etwa im Sinne des Zitatrechts zu
sehen.) Falls also ein Schueler oder mehrere in Wikibooks
eine Gesamtuebersetzung von Caesars de bello Gallico
einstellen, in der bei jedem Kapitel nachgewiesen wird, in
welchen aktuellen oder vergangenen Schulbuechern diese
Stelle Verwendung findet und wenn dann auch eine Konkordanz
das Auffinden erleichtert, sehe ich darin keine URV, da
vergleichbare Zusammenstellungen wissenschaftlich durchaus
ueblich sind. 

Ansonsten gibt es kein hier relevantes Sonderrecht fuer
Schulbuecher, denn § 52a UrhG scheidet bei allgemeiner
Internetveroeffentlichung aus.

Klaus Graf