[Wikide-l] Umfassende Zuständigkeit deutscher Gerichte bezüglich Internetveröffentlichungen

Kurt Jansson jansson at gmx.net
Do Jun 16 01:24:59 UTC 2005


Agon S. Buchholz schrieb:
> elwp at gmx.de wrote:
> 
>> Wievele kostenpflichtige Abmahnversuche gab es bislang und wieviel 
>> wollten die Anwälte durchschnittlich haben? Mir fällt gerade kein 
>> Grund ein, weshalb diese Zahlen nicht in die Öffentlichkeit gelangen
>> dürften.

Ich habe hier einen Ordner mit folgendem Inhalt:

* Hinweis durch Kanzlei auf Wortmarke mit Bitte um Korrektur unseres Artikels, 
offensichtliche Abzocke, Kostennote lag nicht bei
* Hinweis durch Kanzlei auf Wortmarke mit Bitte um Korrektur unseres Artikels, 
berechtigt, Kostennote lag nicht bei
* Hinweis durch Kanzlei auf falsche Darstellung in einem Artikel, 
Unterlassungsverpflichtungs- erklärung, Kostennote 308,21€ (Gegenstandswert 
3.000,-€)
* Hinweis durch Kanzlei auf falsche Darstellung in einem Artikel, 
Unterlassungsverpflichtungs- erklärung, Kostennote lag nicht bei
* Rechnung über 428,-€ wegen einer Bild-URV
* außerdem eine Anfrage des LKA bzgl. eines Artikel beleidigenden Inhalts (Frage 
nach IP-Adresse, diese war aus der dem Schreiben beigehefteten 
Versionsgeschichte schon klar ersichtlich, naja)

Wie Arne schon schrieb, der Hinweis, dass der Wikimedia Deutschland e.V. nicht 
Betreiber des Angebotes ist genügte bisher, um weitere Rechtsstreitigkeiten zu 
verhindern. Wir haben keine der Unterlassungsverpflichtungserklärungen 
unterzeichnet, und auch keine der Kostennoten beglichen. In zwei Fällen wurde 
der Artikel entsprechend der Hinweise erweitert, bzw. klarer formuliert. Alle 
Schreiben wurden im Vorstand diskutiert, wo nötig wurde ein Anwalt hinzugezogen, 
und dann beantwortet. Die Recherche, in welchen Fällen tatsächlich berechtigte 
Forderungen (nicht nur im juristischen Sinne) vorliegen, die Gespräche mit 
Anwälten und das Aufsetzen eines Antwortschreibens nehmen eine beträchtliche 
Menge an Zeit (und Nerven) in Anspruch.


> Andererseits irritiert mich Geheimniskrämerei in Hinterzimmern zumindest 
> ebenso, wie ich Verständnis dafür habe, das man bei bestimmten Dingen 
> lieber die Tür schließen möchte; es geht ja nicht allein um Abmahnungen, 
> die mangels Verfolgbarkeit im Sande verlaufen, sondern beispielsweise 
> auch um Strafanzeigen gegen einzelne Wikipedianer (z.B. Thread "Wir sind 
> doch keine kriminelle Vereinigung" auf Wikide-L vor ein paar Wochen). 

Ganz klar, sollte ein Wikipedianer für seine normale Arbeit in Wikipedia eine 
Anzeige kassieren, sollte er dies in jedem Fall öffentlich machen, damit die 
Community mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. In dem genannten Fall sehe ich 
das allerdings eher als "Trollen per Rechtsanwalt", da sollte man nicht zu viel 
Wind drum machen (ich wurde über die Anzeige gegen mich (und auch die 
Einstellung) übrigens nie offiziell informiert).


> Ich weiß nicht, ob mehr Offenheit und Öffentlichkeit nicht vielleicht 
> doch eher Wiki-like wäre. Geheimverhandlungen in Rechtsstreitigkeiten 
> sind für mich eher ein Merkmal des Big Business, dem die betroffenen 
> Communities durch Öffenheit und Öffentlichkeit à la Groklaw [1] 
> entgegenzutreten versuchen.

Sobald es *wirklich* einmal Ernst wird kannst Du sicher sein, dass wir ganz 
massiv Öffentlichkeit schaffen werden. Aber in den bisherigen Fällen war dies 
nicht nötig, bzw. hätte auch sehr schnell nach Hinten losgehen können. Die 
Mobilisierung der Community ist ein Spiel mit dem Feuer, siehe Fall Planneg, 
siehe Fall Radevormwald.

Kurt

-- 
"Reading the Wikipedia is not a substitute for first aid training." 
http://en.wikipedia.org/wiki/Cardiopulmonary_resuscitation

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