Ziko van Dijk schrieb:
Ich glaube nicht, dass es zu irgendwas hilfreich ist,
von Kulturdarwinismus
zu sprechen und die armen Tibeter zu instrumentalisieren.
Natürlich sind die Tibeter arm dran. Weil ihr Schicksal von außen
bestimmt werden soll. Das habe ich verglichen und das _ist_ auch
durchaus vergleichbar. Natürlich kann man jeden Vergleich angreifen,
denn es ist die Natur eines Vergleichs, dass die verglichenen Objekte
nicht identisch gelagert sind. Das mit dem Kulturdarwinismus dagegen
halte ich für eine schlichte Tatsache. Wenn man sagt, dass man eine
Sache für nicht unterstützenswert hält, da man eine andere Sache für
zukunftsträchtiger hält, dann wendet man das darwinistische Prinzip des
'survival of the fittest' an.
Man kann entweder Vielfalt im freien Wissen auch auf sprachlicher Ebene
fördern. Dafür müssten kleinere Projekte überproportional Anteil am Etat
haben. Oder man kann sagen, Förderung von Vielfalt auch auf sprachlicher
Ebene ist nicht Bier des Vereins. Dann sollte der Anteil am Etat
proportional sein. Proportional zu was, wäre dann noch die Frage.
Sprecherzahl, Communitygröße, Artikelzahl oder was auch immer. Dafür
ließe sich sicher ein Schlüssel finden. Wenn man aber sagt, dass kleine
Projekte nicht unterstützt werden, keinen Anteil am Etat haben sollen,
dann muss man sich ein 'Darwinist' schon gefallen lassen.
Der Verein ist nunmal - auch wenn er in öffentlicher Rede vermeidet,
dies zu betonen - nationales Abteil der Wikimedia Foundation. Und die
Foundation betont sehr wohl, dass sie die Wissensvermittlung in vielen
Sprachen unterstützt.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen zu
Minderheitensprachen und Dialekten.
Heinz Kloss warnt ausdrücklich davor, die Befürworter als rückwärtsgewandt
zu bezeichnen, aber auch, ihre Auffassung als die einzig richtige anzusehen.
Was jemand sprechen will oder für förderlich hält, ist dessen eigene
Meinung, die es zu respektieren gilt.
Respekt, Meinung. Tja, ich glaube das wird alles nicht dem gerecht, wie
solche Prozesse ablaufen. Es läuft ja nicht so ab, dass einer zu 'ner
Sprachminderheit kommt und sagt: "Hey, lasst uns mal drüber diskutieren,
was machen wir mit eurer Sprache, wie wollen wir da vorgehen?" Und dann
setzen sich die Sprecher der Minderheitssprache zusammen, diskutieren im
örtlichen Versammlungshaus, reichen sich am Ende alle die Hände und
verabschieden eine Resolution, dass man die Sprache aufgeben wolle. (Ich
kenne mindestens eine Ausnahme, aber die entstand nur unter dem im
nächsten Absatz genannten äußeren Druck)
Niemand gibt seine Muttersprache freiwillig auf. Das läuft über Druck
und Vorurteile. Gesamtgesellschafter Druck und gesamtgesellschaftliche
Vorurteile. Und entweder wird die Minderheit unter diesem Druck
_zer_drückt und verschwindet, oder sie bildet Gegendruck.
Wenn die ETA bombt, dann heißt das also nicht, dass die ETA einfach
_böse_ ist, sondern das zeigt, wieviel Gegendruck einige Basken
entwickeln müssen, um den spanischen Druck auf die baskische
Gesellschaft zu kompensieren.
Ein Verringerung des Drucks seitens der Mehrheitsgesellschaft bedeutet
automatisch einen Rückgang des notwendigen verteidigenden Gegendrucks
der Minderheitsgesellschaft.
Das Plattdeutsche übt ebensowenig wie die anderen Minderheitensprachen
in der BRD einen existenzsichernden Gegendruck aus und es wird daher
auch nichts von Seiten der Mehrheit unternommen, um diese Minderheiten
zu unterstützen. "Denn offensichtlich akzeptieren sie ja ihre
Assimilierung! Nicht wahr? Wenn das ihr Wille ist, lassen wir sie doch
sich assimilieren!" Und das ist eben ein Trugschluss. Mangelnde
Gegenwehr bedeutet keine Akzeptanz. Aber wahrscheinlich hat Wilhelm
Bühler recht. Das versteht wahrscheinlich doch keiner.
Ich selbst habe (als Germanist) viel Sympathie für die
kleinen Wikipedias,
andererseits sind einige allenfalls Mikrowikipedias. Zugunsten der
Saterfriesischen gilt, dass sie sehr jung ist (Januar d.J.), allerdings ist
die Sprecherbasis sehr, sehr klein. Seit Jahrzehnten transportiert die Lit.
eine Zahl von 1000 bis 2000 weiter, tatsächlich sind es wahrscheinlich viel
weniger. Auch bei älteren Mikrowikipedias (z.B. Seeländisch, Scots,
Pennsylfanisch) hätte man skeptischer sein können; erst Ende 2006 wurden
strengere Richtlinien eingeführt.
Alle drei genannten Wikipedias würden auch mit
den neuen Regeln
akzeptiert werden.
Marcus Buck