Lieber Jens,
hier hast du mich scheinbar leider missverstanden:
So zielte mein Vergleich mit der Briefwahl keineswegs auf deren
Manipulierbarkeit ab, sondern einzig auf die Geheimheit dieser
Wahlmöglichkeit.
Wie du ja richtig bemerktest:
Es gibt aktuell keine Software/Plattform, die sowohl
Anonymität als auch (Manipulations)Sicherheit bieten.
Nun wäre es also möglich, eine manipulationssichere Software zu wählen, die
Einschränkungen hinsichtlich der Anonymität (= Geheimheit) aufweist.
Konkret würde das bedeuten, dass z.B. ein Admin des Abstimmungsservers
nachvollziehen kann, wie eine Person abgestimmt hat. Dies will man in der
Regel vermeiden, um Stimmkauf o. ä. zu verhindern. Bei der Biefwahl ist das
natürlich ebenfalls möglich (jemand steht neben dem Wählenden).
In einem solchen Fall steht man dann also tatsächlich vor dem selben
Dilemma wie bei der Briefwahl: Die Abwägung von Geheimheit und
Allgemeinheit, sprich größerer Beteiligung, auf der anderen Seite.
Diese Abwägung muss man treffen. Nicht mehr und nicht weniger wollte ich
sagen.
Ich habe den Antrag weder gestellt, noch beworben. Und tatsächlich -
vielleicht lässt sich das meinen Ausführungen entnehmen - habe ich mich mit
der Thematik durchaus einmal beschäftigt und kann daher alle Bedenken
durchaus nachvollziehen.
Wie ich persönlich diese Abwägung treffe, ist hier jedoch gar nicht
maßgeblich. Schließlich haben die Mitglieder das bereits entschieden: und
zwar mit übergroßer Mehrheit. Wovor ich an dieser Stelle daher
nachdrücklich warnen möchte, ist den Mitgliedern eine unreflektierte
Entscheidung zu unterstellen, einzig weil sie nicht mit der eigenen
Präferenz übereinstimmt.
Viele Grüße
Nikolas
--
Nikolas Becker
Vorsitzender
Wikimedia Deutschland e. V.
Tempelhofer Ufer 23/24
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Am 10. Februar 2014 19:18 schrieb Jens Best <jens.best(a)wikimedia.de>de>:
@Nikolas @All
Dieser nette rhetorische Versuch, die etablierte Briefwahl mit einem
möglichen umfassenden Sicherheitsbruch bei einem elektronischen
Online-Voting gleichzusetzen, bedarf eigentlich keiner weiteren
Kommentierung.
Dennoch sei Niko hier kurz zusammengefasst:
Weil bei A (Briefwahl) ggf. in Einzelfällen Missbrauch stattfinden kann,
ist B (Onlinevoting), welches der Gefahr eines umfassenden Missbrauches
(Aufhebung der Anonymität oder Manipulation) durch einen Hack unterliegt,
plötzlich nur noch genauso "schlecht" wie A (Briefwahl). Wer also gegen B
(Onlinevoting) ist, muss dementsprechend auch gegen A (Briefwahl) sein.
Ich bin mir gerade nicht sicher, welcher unbewusst ausgeführte Kunstgriff
der Eristischen Dialektik das genau sein soll, aber ich kann sagen, dass er
nicht wirkt. Wohlgemerkt, das kleine Detail mit dem BVerfG-Urteil liess
kurz so etwas wie staatstragende Logik durchschimmern - aber es war ein
falscher Schimmer, der nur versuchte von der Schlichtheit der Rhetorik
abzulenken.
Zur Sache dennoch konkret:
Die Briefwahl mit ihrer Methodik ist fälschungssicher außer jemand
erschleicht sich zwei Wahlunterlagen (was durch korrekte und strikt
protokollierte Ausgabe auf ein Minimum reduziert wird). Da bei der
Auszählung die Öffnung der ersten Kuverts (in denen die eigentlichen
Wahlkuverts stecken) von mehreren Personen durchgeführt wird und vorallem
öffentlich ist, müsste man hier mit einer Massenverschwörung arbeiten, um
eine Massenfälschung durchzuziehen.
Neben all der Schlichtheit dieses Versuches eines Argumentes von Niko zeigt
das insbesondere dies: Nämlich dass diejenigen, die ein
Onlinevoting-Verfahren gegen ernsthafte Bedenken durchsetzen wollen,
offenbar keine entkräftenden Argumente hinsichtlich der Bedenken haben und
deswegen versuchen müssen, das bisherige Prinzip schlechtzureden.
"Wir benutzen was Schlechtes, also lass uns etwas noch Schlechteres
verwenden." - Eine deutlichere Offenbarung der Unfertigkeit des
elektronischen Onlinevotingsystems kann kaum gebracht werden.
Wenn wir uns also alle kurz von diesem Ausflug in schlechte Rhetorik erholt
haben, können nun wieder sachliche Argumente für oder gegen ein
bedenkliches Online-Votingverfahren gebracht werden. Ich warte für meinen
Teil nun ersteinmal ab, welche "Produkte" von der AG Wahlen rechtzeitig vor
der MV vorgestellt werden.
Beste Grüsse
Jens
Am 11. Februar 2014 03:33 schrieb Nikolas Becker <
nikolas.becker(a)wikimedia.de>gt;:
Hallo,
da die Diskussion ja mittlerweile von der Gültigkeit des Protokolls
abgedriftet ist und hier nun die generellen Probleme einer Online-Wahl
diskutiert werden, an dieser Stelle noch ein Gedanke hierzu:
Gemeinhin wird ja - abseits aller technischen Unzulänglichkeiten im
Einzelfall - die generelle Unvereinbarkeit der Geheimheit der Wahl mit
der
Notwendigkeit der Öffentlichkeit/Nachprüfbarkeit
als pauschales Argument
gegen Onlinewahlen aufgeführt. Das ist bei Bundestagswahlen auch
nachvollziehbar und richtig.
Der Grundsatz der Geheimheit der Wahl wird aber auch durch Briefwahl
verletzt.
Dem entgegen steht eine (vermutet) höhere Wahlbeteiligung (=
Allgemeinheit
der Wahl) durch Brief bzw. Onlinewahlen.
Es gilt daher abzuwägen. Das Bundesverfassungsgericht kam vor einigen
Jahren (BVerfGE 59, 119) zu der Entscheidung, die Allgemeinheit der Wahl
höher zu priorisieren. Dies geschah vor dem Hintergund, dass die
Briefwahl
nur von einem relativ kleinen Wählerkreis
wahrgenommen wurde.
Nun gibt es in unserem Verein bereits seit einigen
Mitgliederversammlungen
wesentlich mehr Brief- als Präsenzwähler. Wer
eine Onlinewahl mit diesem
Argument daher ablehnt, müsste sich konsequenterweise auch für eine
Abschaffung der Briefwahl einsetzen. Ob das der demokratischen
Mitbestimmung dient, wage ich zu bezweifeln.
just my 2 cents
Nikolas
Am 10. Februar 2014 14:25 schrieb Jens Best <jens.best(a)wikimedia.de>de>:
@WiseWoman
Zitat aus deiner Mail: "Ich würde die Systeme nicht für ein
Bundestagswahl
o.ä. einsetzen. Aber für Satzungsänderungen oder
Wahlen im Verein denke
ich, dass sie *gerade so* passen könnten."
Naja, also die Abstimmungen der Mitglieder sind die zentrale
demokratische
> Form der Meinungsabstimmung im Verein. Da reicht mir ein "gerade so"
> hinsichtlich Anonymität und vorallem Sicherheit nicht.
>
> justmy2cents
>
> Jens
>
>
> Am 10. Februar 2014 22:51 schrieb weberwu <weberwu(a)htw-berlin.de>de>:
>
> > DaB,
> >
> > nun muss ich langsam auch was sagen. Ich bin "Mitglied" oder was
auch
> > immer in der AG Wahlen. Ich könnte leider nicht bei der MV dabei
sein,
> > daher kenne ich den Zorn nur aus der
Mailing Liste.
> >
> > Wir haben länger gebraucht für unsere Arbeit, weil wir beschlossen
> > haben, die Umfrage zu starten, um zu erfahren was die MITGLIEDER von
> > Wikimedia wollen und nicht nur was die kleine Gruppe will, die zur MV
> > kommt / kommen kann.
> >
> > Ich war selber überrascht ob der Deutlichkeit der Wünsch nach einem
> > digitalen Fernwahl. Ich bin eigentlich dagegen, aber wenn die
> > Mitglieder so deutlich dafür sind, dann ist das ein Auftrag, es
> > wenigstens zu versuchen.
> >
> >
> > On 10.02.14 15:01, DaB. wrote:
> >
> > >
> > > Nach dem miesen Trick auf der letzten MV soll ich der AG nun
glauben
> das
> >
> > Wieso unterstellst Du uns ein "mieser Trick"? Das finde ich nicht
> > zweckmäßig.
> >
> > > sie nix anstellen werden? Die suchen den windigste und unsichersten
> > > Anbieter von allen aus und ändern dann wichtige Teile der Satzung
(in
> >
> > Ich verspreche Dir, dass genau das nicht passiert. Ich habe mich
recht
> > viel mit solchen Systemen beschäftigt.
Ich würde die Systeme nicht
für
> > ein Bundestagswahl o.ä. einsetzen. Aber
für Satungsänderungen oder
> > Wahlen im Verein denke ich, dass sie gerade so passen könnten. Unsere
> > Idee war das einmal auszuprobieren und dann ergebnisoffen zu
> > evaluieren, ob wir so was generell anbieten wollen.
> >
> >
> > > einem der letzten Präsidiums-Protokoll wurde ein "modernisieren der
> > > Satzung" angekündigt, da liegt die Idee nicht weit).
> > >
> >
> > Ja, im Sinne davon, dass wir solche Wahlen zulassen wollen. Ich
> > verstehe, dass Du persönlich dagegen bist. Aber die Mehrheit der
> > Mitglieder wollte gerne so eine Möglichkeit haben. Lass und doch
einmal
>
ausprobieren, wie es geht! Nicht immer dunkle Mächte hinter alles
> vermuten. Vertrauen wird verstört wenn man hinter jeder Kleinigkeit
> sofort was Böses vermutet.
> Schöne Grüße,
> --
> WiseWoman
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