[Wikide-l] Entsperrung 213.61.179.81

Henriette Fiebig Henriette.Fiebig at snafu.de
Mo Nov 6 22:51:55 UTC 2006


Ulrich Fuchs wrote:

> Falls Ihr's noch nicht gemerkt habt: Nicht die SZ hat ein Qualitätsproblem.
> Sondern die Wikipedia. 

Ach Uli :)

da hätte ich jetzt von Dir aber mehr erwartet, als so eine Replik.

Zunächst einmal werden wohl die meisten Wikipedianer nicht abstreiten, 
daß die WP mit inhaltlich-qualitativen Problemen zu kämpfen hat (also 
ich jedenfalls ganz bestimmt nicht :), aber die Qualität der "Recherche" 
der SZ ist schon ziemlich weit unten. Absichtlich Fehler einbauen, um 
dann damit zu beweisen, daß das aber ein ganz schön wackeliges 
Unternehmen ist, weil ja jeder Fehler einbauen _könnte_ und ein Teil 
dieser Fehler nicht bemerkt werden (könnten): Das ist doch ein bisschen 
billig, oder? Ich hätte es wesentlich besser gefunden, wenn sie z. B. 
ein paar Experten an die Exzellenten Artikel gesetzt hätten und dann 
deren Aussagen dokumentiert. Oder - aber das wäre unter Umständen 
wirklich peinlich geworden - wenn sie Fachleute Artikel hätten ändern 
lassen und dann dokumentiert, wie die Community auf diese möglicherweise 
umstrittenen Änderungen reagiert.

Das die WP von Feld-, Wald- und Wiesenvandalismus bedroht ist, das ist 
doch nun wirklich eine Binsenweisheit. Da muß man doch keine Tests 
durchführen! Und das selbst der alltägliche Vandalismus nicht immer 
bemerkt wird, das ist ebenfalls eine Binsenweisheit. Klar: Ärgerlich, 
auch schlimm. Aber wie sollen denn die 300 oder 500 regelmäßigen 
Mitarbeiter immer alle 490.000 Artikel im Blick haben können?
> 
> Fünf Prozent des anfallenden Vandalismus wird nicht bemerkt. Da hat sich seit 
> meiner "Vandalismus"aktion vor einem Jahr oder so also garnichts geändert.  
> *Das* ist das Thema.

Das ist richtig. Und das kann man schlimm, furchtbar und zum Haareraufen 
finden. Aber: Wie sollen wir dem Herr werden? Hast Du einen guten 
Vorschlag, wie man das ein für alle Mal abstellen kann? Es gibt halt nur 
eine relativ konstante Anzahl von Leuten, die regelmäßig und 
verantwortungsbewußt mitarbeiten, und die scheint sich nicht dramatisch 
zu erhöhen. Wie sollen es denn die paar (im Verhältnis zur Gesamtzahl 
der Artikel) Leutchen schaffen auf allen Gebieten so derart beschlagen 
zu sein, daß sie _jeden_ Vandalismus erkennen?

> Oder glaubt Ihr, die Herren Rühle und Co sind die 
> einzigen im deutschsprachigen Raum, die sowas mal versuchen? Sie sind nur die 
> einzigen, die's sagen. Also schlagt hübsch weiter auf die Überbringer der 
> schlechten Nachrichten ein und lasst schön die rosa Brille auf.

Ich sehe hier eigentlich nicht, daß jemand die Inhalte der WP für 
sakrosankt und jenseits aller Kritik hält. Die Methode der Untersuchung 
steht in der Kritik. Und die Methode war nun mal preiswert und was dabei 
herausgekommen ist, ist nicht mehr als ein hähmisches "die finden nicht 
alle Fehler". Daraus abzuleiten, daß der Rest der WP ebenfalls ein 
Haufen aus Fehlern ist, das wäre nun wirklich nicht statthaft - und ich 
denke, nicht mal Du würdest Dich zu so einer Aussage hinreißen lassen, 
oder? ;)

Und den Wikipedianern vorwerfen, daß sie das Problem des Vandalismus 
nicht erkannt hätten und einfach nur dasitzen und zuschauen, wie ihre 
tolle Enzyklopädie kaputtgeschrieben wird, das willst Du hoffentlich 
nicht. Das Problem ist bekannt, aber es ist zu groß, als das man es mal 
eben mit einer Sofortmaßnahme abstellen könnte.

> Die 
> Wikipedia-Sektenanhänger im Heisemob glauben schon ganz fest dran, 

Inwieweit man sich um deren Auslassungen kümmern muß, das stelle ich mal 
anheim :)

> 
> Nein. Die Medienlandschaft benimmt sich gegenüber Wikipedia schlicht und 
> ergreifend mal etwas weniger jubelperserhaft als die letzten Jahre und fängt 
> an, den schönen Schein zu hinterfragen. Da hat sie Euch was voraus.

Wunderbar, wenn sie die WP kritisch hinterfragt. Wäre nur schön, wenn 
die Kritik auch mal im Jahre 2006 und dessen Problemen ankommen würde 
und sich nicht auf dem 2003er-Niveau von "aber da darf doch jeder 
ändern, ist das denn nicht schlimm?" dümpelte.

Probleme haben wir genug und in den Köpfen der Schüler und Studenten ist 
wohl noch nicht angekommen, daß weder WP noch Google immer die Wahrheit 
sagen (das mit Google hat selbst nur ein Bruchteil der Wikipedianer 
kapiert…). _Das_ wäre mal so ein Thema, das die Presse meinthalben gern 
ausschlachten darf. Und das dürfen sie gern auch im Fernsehen und der 
Bild-Zeitung bringen: Vielleicht erreicht es ja dann diejenigen, die 
leichtfertig lediglich im Netz recherchieren und jeden Kram glauben, nur 
weil er hübsch layoutet und mit bunten Bildchen und kurzen Texten 
versehen ist. Mein Mitleid mit Leuten, die jeden Kram unhinterfragt 
glauben, das hält sich ziemlich in Grenzen.

Ich sehe allerdings - und da schränke ich meinen letzten Satz da oben 
wieder ein -, daß einerseits gelästert wird über die Schüler, die eine 6 
auf ihre Hausaufgabe bekommen, weil sie aus der WP kopiert haben und 
unkritisch die Fehler der WP gleich mit; aber es wird gar nicht die 
naheliegende Frage gestellt, _warum_ denn die Schüler aus der WP 
abpinnen und nicht in die Bibliothek gehen oder zu Haus in drei Lexika 
das Gelesene nachgeprüft haben. Meine Eltern haben den großen Brockhaus 
gekauft, als ich ins Gymnasium kam. Aber die waren auch in der 
wirtschaftlichen Lage, sich eine solche teure Schwarte anschaffen zu 
können. Die waren auch in der Lage mir Büchern zu allen Gebieten zu 
kaufen, die mich interessierten (die konnten mir sogar alle Schülbücher 
kaufen, so daß ich ein eigenes Exemplar hatte und mir nichts aus der 
Schülerbibliothek leihen mußte). Ich frage: Wieviele Leute sind denn 
heute noch in dieser Lage? Ist es denn nicht so, daß heute unheimlich 
viele Leute schlicht _angewiesen_ sind auf ein kostenloses 
Nachschlagewerk? Und ist denn nicht so, daß vor allem die Lehrer - und 
wohl auch die Uni-Dozenten - aufgefordert sind, den Schülern und 
Studenten beizubringen wie man richtig recherchiert? Was ist denn das 
eigentlich für eine Bigotterie des Lehr- und Lernbetriebes, wenn man die 
Schüler an die Computer scheucht und ihnen einbimst, daß es ohne 
Computer heute gar nicht mehr geht und sie hinterher abstraft, weil man 
es verabsäumt hat, ihnen beizubringen, wie man mit den Inhalten umgeht?!

_Das_ sind Themen, auf die die Jounalisten sich mal werfen sollten! Und 
meintwegen dürfen die Medien dann auch darüber berichten, wie wichtig es 
ist, daß die WP erstklassige Inhalte ohne jeden Makel bereithält - 
wohlmöglich löst das dann auch einen Teil des Vandalismusproblems: Wenn 
die Benutzer erstmal kapiert haben, was für eine wichtige Funktion und 
Aufgabe sie als Wikipedianer zu erfüllen haben, dann würden sie 
vielleicht auch mal verantwortungsvoller mit dem Projekt umgehen (ja, ja 
gut: das ist Sozialromantik :)

Sorry, eigentlich wollte ich nur auf Uli antworten und jetzt ist es in 
einen Essay ausgeartet :)

Gruß

Henriette

-- 
Internet has died in a tragic accident. Please refer to the real world 
for more information