[Wikide-l] GNU FDL

Klaus Graf klausgraf at googlemail.com
Sa Mai 13 20:27:23 UTC 2006


Achim Raschka erhebt gravierende Vorwürfe gegen die Leitung von
Wikimedia Deutschland e.V. und hat einen Nachnutzer von
Wikipedia-Inhalten auf DVD mittels eines Anwalts zu einer
Unterlassungserklärung gezwungen.

Dies wirft Fragen auf, die auch auf der Seite
http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Historiograf/GNU_FDL_Highway_to_Hell_-_FAQ
thematisiert werden.

Zur Frage, wer Ansprüche bei Verletzungen der GNU FDL geltend machen
kann, äußert sich das Rechtsgutachten:
http://meta.wikimedia.org/wiki/Rechtsfragen_M%C3%A4rz_2005#VI._Anspr.C3.BCche_gegen.C3.BCber_Dritten_bei_GNU_FDL_Verletzungen

Wikimedia Deutschland e.V. kann demnach gegen Verletzer nur vorgehen,
wenn ein Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte diese dem Verein
überträgt.

Unberücksichtigt bleibt die Frage, wer Inhaber des
Datenbankschutzrechts an der Wikipedia als Ganzes ist (§§ 87a ff.
UrhG). Die Antwort ist strittig, siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Southpark#Pflegestandard

Bei der Wikipedia handelt es sich meines Erachtens um eine geschützte
Datenbank, wobei als Inhaber des Schutzrechtes meines Erachtens
derjenige anzusehen ist, der die zehntausende Einzelbeiträge der
Öffentlichkeit mit erheblichem finanziellem Aufwand zugänglich macht:
die Wikimedia Foundation (WMF). Es spricht einiges dafür, dass die WMF
auch als "Publisher" im Sinne der GNU FDL fungiert.

Man mag argumentieren, dass ein Wiki keine geschützte Datenbank
darstellt. Das erscheint mir nicht schlüssig.

Man mag argumentieren, dass die WMF als Inhaber des Schutzrechtes
stillschweigend auf die Ausübung des bestehenden
Datenbankschutzrechtes verzichtet. Das kann man vertreten, näher liegt
freilich die Annahme, dass jegliche Nutzung der Inhalte der Wikipedia
 , soweit das Urheberrecht tangiert ist (das markenrechtlich
geschützte Logo ist bekanntlich nicht frei!) gemäß der GNU FDL erfolgt
und das Datenbankschutzrecht ist ja ein Leistungsschutzrecht im Rahmen
des Urheberrechtsgesetzes.

Warum lassen WMF und Wikimedia Deutschland e.V. ihre Autoren im Regen stehen?

WMF könnte als Inhaber des Datenbankschutzrechtes vor einem Gericht
eines EU-Landes   die Einhaltung der GNU FDL durchaus durchsetzen.
Generell neigt die WMF jedoch dazu, sich aus solchen Angelegenheiten
herauszuhalten.

Wikimedia Deutschland e.V. könnte sich natürlich die Ausübung der
Rechte des Datenbankinhabers für den deutschsprachigen Teil der
Wikipedia von der WMF übertragen lassen.

Höchst brisante Haftungsfragen (siehe zuletzt Hacker Tron, auch in
zweiter Instanz war Wikimedia Deutschland e.V. erfolgreich) lassen die
Verantwortlichen des Vereins die Linie verfolgen, die Verantwortung
für die Beiträge der Wikipedia soweit als möglich den Autoren
zuzuschieben. Man sieht sich als eine Art "Forenbetreiber", der nicht
eigene Inhalte erstellt, sondern Möglichkeiten bietet, fremde Inhalte
einzustellen. Der Verein wird als reines Geldsammel-Instrument
dargestellt, der keinerlei inhaltliche Einwirkungsmöglichkeiten hat.

Ob sich diese Abstinenz in weiteren Gerichtsverfahren auszahlt, sei
dahingestellt. Ich hatte per Mail den Benutzer Berlin Jurist gebeten,
ob er mir den Aufsatz "Zur Rechtsnatur von Wikipedia" mir zur
Verfügung stellen könnte:

http://bibliotheksrecht.blog.de/2006/04/27/zur_rechtsnatur_von_wikipedia~759150

Keine Antwort! Falls mir jemand eine Kopie zusendet, wäre ich dankbar.

Will man Wikepedia (bzw. korrekter WMF) als bloßen Host-Provider, der
nicht für "eigene Inhalte" haftet sehen, macht es sich natürlich
schlecht, wenn man auf der anderen Seite Autoren schützend zur Seite
tritt, wenn deren in der GNU FDL verbürgte Rechte mit Füßen getreten
werden.

Ich habe aber erhebliche Zweifel, ob mit den bisher vorliegenden
Interpretationen die komplexe Interaktion zwischen dem Rechtsträger
WMF und der Commity, die doch so etwas wie eine redaktionelle
Einheitlichkeit produziert, wirklich angemessen juristisch beschrieben
wird.

Die GNU FDL orientiert sich an den Mustern traditioneller
Verlagsprodukte. Von daher ist es keineswegs zwingend, dass ein
Richter die Wikipedia juristisch als etwas völlig Neuartiges einordnet
und alle Haftungserleichterungen bejaht, die uns angenehm sind.

Man mag es akzeptieren, wenn der Verein sich nicht hinter seine
Autoren stellt, wenn die GNU FDL eklatant verletzt wird. Eine andere
Qualität hätte es, wenn der Verein einen Hochlader, der im Vertrauen
auf unsere Policies ein Bild hochlädt, das wir als unproblematisch
ansehen, im Regen stehen ließe (Stichworte: Schöpfungshöhe wider
Erwarten doch erreicht, Reproduktionsfotografie doch geschützt, Foto
von fremdem Eigentum).

Die Untätigkeit des Vereins in Sachen GNU FDL befugt von daher jeden
Autor, sich in angemessener Weise gegen Verletzungen seiner Rechte zu
wehren.

Es ist Achim Raschka zugutezuhalten, dass eine Komplett-DVD eine
andere Qualität hat als ein Online-Klon, dem man über
Wikipedia:Weiternutzung/Mängel bekommen kann.

Es ist Nachnutzern (u.a. Directmedia) umgekehrt zugutezuhalten, dass
es völlig unklar ist, wie eine korrekte Nutzung im Rahmen der GNU FDL
aussieht. Die WMF hält sich aus diesem Bereich völlig heraus,
abgesehen von einem mehr als fragwürdigen (und juristisch
eingestandenermaßen nicht bindenden) Gentlemen Agreement und wäscht
ihre Hände in Unschuld. Das ist schlicht und einfach nicht fair.

Das genannte Rechtsgutachten hat fahrlässigerweise das Droit de
non-paternité ins Spiel gebracht. Wenn man das auch zu beachten hätte,
wozu die Präambel der GNU FDL die entsprechenden Rechtsanwälte
angeregt haben mag, dann gute Nacht. Dann hätte man in stundenlanger
Arbeit für einen Artikel, den man übernimmt, anhand der Diffs genau
die Autoren festzustellen, die einen urheberrechtlich relevanten
Beitrag geleistet haben. Die Autoren, deren Beiträge später wieder
entfernt oder überschrieben wurden, könnten sich ja dagegen wehren,
als Mitautoren genannt zu werden.

Das sind zugegebenermaßen Spitzfindigkeiten. Was mir wirkliche Sorgen
bereitet ist die Frage, was passiert, wenn ein deutsches Gericht etwa
auf Antrag eines Verbraucherverbands der WMF verbietet, die GNU FDL
als AGB zu verwenden. Dazu würde es genügen, wenn eine einzelne
Klausel als unwirksam erklärt würde, da ja stets die komplette GNU FDL
beigegeben werden muss. Dieser Fall wäre womöglich der absolute
Ober-GAU mit der Konsequenz, dass die WMF den Schreibzugriff für
deutsche Editoren zu sperren hätte. Wir könnten auf gut deutsch gesagt
einpacken. (Siehe dazu meine genannte GNU FDL-Seite ziemlich weit
unten).

Klaus Graf