[Wikide-l] "Kritik an der deutschsprachigen Wikipedia"

Ivo Köthnig koethnig at web.de
Mo Sep 12 16:20:46 UTC 2005


Am Montag 12 September 2005 17:04 schrieb Monika:
> >Spätestens jetzt sollte man meiner Meinung nach einsehen, das das
> >(Haupt-)Problem nicht die Verwenung einer männlich dominierten Sprache
> > ist, sondern die Nicht-Teilnahme der weiblichen Deutschsprechenden.
>
> wieviele frauen oder andere sprachbefreite an der wikipedia teilnehmen
> ist letztendlich
> egal, da die rechtschreibregeln ja bereits vorgegeben sind und sämtliche
> abweichenden
> texte alsbald wieder in die gängige männerschreibweise rückgeführt
> würden. oder meinst du
> ein text z.b. in nur kleinschreibung hätte irgendeine überlebenschance

Genauso ist es! Ich wollte eigentlich nur auf das Henne-Ei-Prolem hinaus. Wer 
für geschlechtsneutrale Schreibweise ist, unterstellt oft auch, das 
nichtneutrale Schreibweise zur Unterdrückung von Frauen führt. Ich für meinen 
Teil halte es für durchaus auch möglich, das es genau umgekehrt ist! 
Möglicherweise trifft auch beides zu. Genauso gut könnte zwischem beiden 
Dingen auch überhaupt kein Zusammenhang bestehen.

Im letzten Fall (den ich noch für den wahrscheinlichsten halte) wäre eine 
neutrale Formulierung genau dann vorzuziehen, wenn sie dichter an der 
Realität liegt. 

> > Am Ende ist eher zu vermuten, dass diese Personen aufgeben
> >oder sich so stark anpassen müssen, dass sie selber ein gutes Stück von
> > ihren verkorksten Ideen abrücken. Schon deshalb kann ich sehr gut damit
> > leben, dass auch solche Leute bei uns mitmachen dürfen.
>
> toll. diese aussage trifft genauso auf verfechterInnen einer
> geschlechtsneutralen
> schreibweise zu.

Richtig und Falsch! Zunächst einmal scheitern beide an den Realitäten. Ein 
Binnen-I wird nicht durchsetzbar sein. Die Verfechter einer 
geschlechtsneutralen Schreibweise haben aber immerhin die Chance unnötig 
maskuline Schreibweisen zu tilgen, solange die Verbesserung nicht zu stark 
den normalen Sprachgewohnheiten widerspricht. Sie können sich also zumindest 
als Verfechter geschlechtsneutraler Formulierungen betätigen.

Zumindest ich halte es bis zu gewissen (relativ engen) Grenzen auch für 
sinnvoll und dem Projekt dienlich. Ich bin aber nicht bereit mir selbst bei 
jeder Formulierung den Kopf zu zerbrechen, ob ich damit jetzt nicht irgend 
eine Minder- oder Mehrheit verletzt haben könnte. Das können dann gerne all 
diejenigen Nachholen, denen das wichtig genug ist (oder die sich verletzt 
fühlen). Ich und alle anderen Autoren können nicht immer an alles denken. 
Genau deshalb arbeiten wir ja auch kooperativ. Wir wissen das wir nicht Gott 
sind, auch wenn außenstehnde das oft vergessen.

Sehr sehr langfristig hat es für die Verfechter geschlechtsneutraler 
Schreibweisen möglicherweise den positiven Effekt, das sich die 
Sprachgewohnheiten mehr und mehr in eine Richtung entwickelt, die für sie 
eher akzeptabel sind.

-- Ivo Köthnig