[Wikide-l] Oh, mal wieder ein sehr netter Artikel

Mathias Schindler neubau at presroi.de
Mi Okt 27 13:31:24 UTC 2004


Ulrich Fuchs wrote:
>>Bullshit. EB kritisiert, daß wikipedia zu viele Informationen hat. 
> 
> Nein, das tut sie nicht. Sie kritisiert, dass die Gewichtung nicht stimmt, 

ich unterbreche hier schon einmal. Nehmen wir das Beispiel "Enzyklopädie 
der Neuzeit" (diese Kollegen habe ich richtig liebgewonnen). Band 1 
erscheint Mai 2005. Wenn ich mir jetzt also deren Inhalte anschaue, kann 
ich natürlich kritisieren, daß deren Gewichtung nicht stimmt, da ist 
viel zu viel A und viel zu wenig Z.

Wikipedia beruft sich darauf (und sollte es eine ganze Weile noch tun), 
daß wir im Aufbau begriffen sind. Insofern ist jede Kritik zur 
Lemmagewichtung erwünscht und auch zur Frage, ob man an dieser "Wenn X 
20 Zeilen bekommt, dann muß aber Y auch mindestens 20 Zeilen bekommen" - 
so wurde es uns in Mannheim erklärt -Logik endlich den Hals umdrehen 
kann. In dem Moment, wenn jemand schreit "ha, wir sind fertig", dann 
heisst es sicherlich Feuer Frei für solche Argumente.

Die EB kritisiert aber, wenn man diesen Punkt zum gegenwärtigen 
Zeitpunkt als lächerlich abwischt, nur, daß unsere Inhalte zur Trash der 
Zeitgeschichte, also Coronation Street zu breit sind. Das lässt sich 
darauf reduzieren, daß sie die Menge kritisieren. Soviel Vereinfachung 
muss sein. Vor allem ist dies ein Hebel zur Verächtlichmachung der 
Jungs, denn der Einwurf ist kein anderes als ein "look, something shiny 
over there". In dem Moment, in dem sie einmal Helmut Birne mit Helmut 
Birne vergleichen und nicht Gemüse, kommen wir der Sache ein wenig näher.

Das Gewichtungsargument wird akut, wenn wir in den Print gehen wollen 
oder wenn wir mehr Text haben, als auf eine DVD passt. Such dir aus, was 
eher kommt.

> dass ein überproportional starker Anteil der Wikipedia und vor allem der 
> Arbeit, die in Wikipedia reingesteckt wird, eben nicht "allgemeines Wissen" 
> sondern "aktuelle Nachrichten" sind, und da hat sie recht. 

Im Prozess? Natürlich. Im Effekt? Sicher nicht.

Natürlich wurden die Artikel zu den Bundesbankpräsidenten angelegt, als 
Welteke auf Seite 1 stand. So what.

> Wir sind gut 
> darin, aktuelle Informationen aus dem Internet zusammen zu klauben, wenn ein 
> Thema in aller Munde ist. Wir sind aber miserabel darin, Informationen schon 
> zu *haben*, wenn ein Thema medial aktuell wird bzw. wenn man etwas zu einem 
> nicht gerade brandaktuellen Thema sucht - und das wäre eigentlich unsere 
> Aufgabe. 

Das ist kein entweder/oder. Du tust damit den Leuten arg unrecht, die 
etwa Nauru so erschließen, wie es bisher kaum in de-Land stattfand. Wenn 
beim nächsten Mal Nauru wieder gefragt ist, wird offensichtlich, daß 
dein Einwand da nicht greift.

Im Übrigen bin ich gespannt, ob etwa durch eine saubere Schnittstelle 
zwischen Wikinews und Wikipedia etwa die Voraussicht auf künftig 
relevante Artikel besser wird. Ich habe vor einigen Monaten ja mal die 
Glaskugel gestartet, um genau hier ein wenig anzusetzen.

Abgesehen ist es aus der Außenperspektive Egal, ob wir um T+5 Minuten 
oder um T+2 Stunden Informationen haben, damit hängen wir den großen Lag 
der Leute ab, die erst nach einer Weile anfangen zu suchen.


> Die EB-Leute stellen fest, dass der Focus der Wikipedia verschoben ist 
> gegenüber dem, worauf eine Enzyklopädie normalerweise den Focus haben sollte: 
> auf (relativ) zeitlosen, grundlegenden Begriffen, wenn auch notgedrungen aus 
> der Sicht der jeweiligen Zeit. 

Auch hier haben wir eine Lösung parat. PD-Quellen. Die EB1911 und 
entsprechende Meyers/Brockhaus sind hierbei eine Möglichkeit, zeitlose 
Dinge einzupflegen. Im Einzelfall reicht der Aufwand, ein "zeitloses" 
Lemma aufzupolieren von 0 bis Neuschreiben, aber das weisst du auch.

> Unsere Artikel zu solch zentralen Begriffen 
> wie [[Wissenschaft]], [[Kultur]], [[Krieg]] undundund sind noch immer so 
> miserabel wie vor drei Jahren - keine Änderung in Sicht.

Genau hier zeigt sich etwas am Horizont. 1000 Begriffe, die jede 
wikipedia haben sollte könnte ein Hebel genau dafür sein. Denn hier kann 
die Wikipedia es sich erlauben, einen vom 
deutsch-christlich-jüdisch-abendländischen-white-anglo-saxon-protestant 
losgelösten Begriff zu erklären. Da sich Brockhaus eine 
Nationalenzyklopädie nennt, stoßen die hier systembedingt an Grenzen.

Natürlich ist das kein Allheilmittel, aber dennoch wäre es einmal nett, 
irgendeine Organisationsstruktur (Projekt, Qo, Irgendwas) zu haben, die 
halt einmal elementare Arbeit leistet. Auch wenn diese Arbeit wohl nur 
von wenigen gewürdigt würde.

Mathias