[Wikide-l] Re: URV bei Fotos von Skulpturen im Web/Update

Agon S. Buchholz asb at kefk.net
Do Mär 18 19:08:57 UTC 2004


Erik Moeller wrote:

> Also: Bitte alle Renaissance-Werke fotografieren, egal, was der 
> Museumsdirektor davon hält. Lasst Euch von einem Obermufti wie Uli
> nicht einschüchtern.

Wir müssen hier drei Ebenen unterscheiden.

(1) Unser Ziel sollte es grundsätzlich sein, uns um Kooperationen und 
gegenseitigen Goodwill zwischen Content-Bewahrern und Interessen der 
Allgemeinheit (die in diesem Falle wir vertreten) zu bemühen. In vielen 
Fällen wird es ohne Konflikt möglich sein, die Genehmigung für die 
Nutzung des Content zu erhalten. Ich glaube, in diesem Punkt und dieser 
Priorisierung herrscht auch bei uns Konsens.

(2) Wenn Content-Bewahrer sich dagegen sperren, uns die Nutzung von 
gemeinfreien Werken, deren Urheberrecht abgelaufen ist, zu ermöglichen, 
haben wir zwei Handlungsalternativen:
(a) Wir halten uns an geltendes Recht und Rechtsprechung, respektieren 
Hausrecht und Hausordnung, lassen uns auf keine Konflikte ein, gehen auf 
Nummer sicher (in etwa Ulis Position) - und werden vermutlich ab der 
übernächsten Novelle des Urheber-/ Patent-/ Marken-/ 
Wasauchimmer-"Rechts" sicherheitshalber gar keine Bilder oder Texte mehr 
veröffentlichen.
(b) Wir setzen Eriks Vorschlag einer Guerrilla-Methode um und *suchen* 
bewusst (nicht versehentlich) den Konflikt; wir fotografieren 
Renaissance-Kunstwerke und veröffentlichen sie in der Wikipedia, 
vielleicht sogar in reprofähiger Qualität; wir verletzen 
Verwertungsrechte von Content-Bunkerern à la Corbis, die schon jetzt 
über 70 Millionen Bilder kommerziell vermarkten, darunter exklusiv die 
Kunstwerke einiger namhafter Museen. Wir machen damit die freie 
Enzyklopädie zu einem Kampfschauplatz gegen Kommerzialisierung von 
Kunstschätzen und riskieren mächtig Ärger, verteidigen aber eine gute 
und richtige Sache: Die Vorstellung, dass Kunst Gemeineigentum ist. 
Selbst im alten Rom gab es übrigens schon Gesetze, die das Privatisieren 
von (damals zeitgenössischen) Kunstwerken verboten. Hier gibt es m.E. 
bisher keinen Konsens, weder für Ulis noch für Eriks Position.

(3) Eine verschärfte Problematik liegt im Bereich zeitgenössischer 
Kunst, d.h. im Falle von Werken, deren Urheberrecht nicht abgelaufen 
ist. Ein Testballon ist das Bild vom verhüllten Reichtstag, das nicht 
der Panoramafreiheit unterliegt, m.E. aber auch den Künstlern keinen 
wirtschaftlichen Schaden zufügt.

Der Konflikt liegt darin, dass wir keinerlei aktuelle Kunst zeigen 
dürften, die auf dem aktuellen Kunstmarkt relevant ist, falls wir 
geltendes Recht uneingeschränkt respektieren. Das schliesst auch 
architektonisch interessante Neubauten aus (z.B. I. M. Pei-Bau in 
Berlin) sowie die Illustration mit Fotos aus anderen Ländern, die so 
etwas wie unsere Panoramafreiheit nicht kennen; wir dürften dann 
beispielsweise auch nahezu keine Fotos von öffentlichen Plätzen in 
Frankreich veröffentlichen. In diesen Bereich fällt übrigens auch das 
berüchtigte Großzitat, das für uns dann ebenfalls tabu sein muss.

Hier argumentieren, wenn ich sie richtig interpretiere, Uli und Erik 
übereinstimmend, dass wir hier die Nutzungsrechte und potentiellen 
kommerziellen Interessen der Künstler in vorauseilendem Gehorsam 
respektieren sollten; wir müssten dann eine gigantische Löschaktion 
starten und alle Bilder löschen, auf denen irgendwo ein Markenzeichen 
abgebildet ist, ein KFZ-Kennzeichen gut lesbar ist, eine Person im 
öffentlichen Strassenbild deutlich erkennbar ist, ein Designobjekt 
gezeigt wird (egal ob Lampe, Toaster oder Apple iMac, kann alles 
geschützt sein) usw.

Ich meine dagegen, dass es hier eine Grauzone des begründeten 
öffentlichen Interesses gibt, die es zu nutzen gilt; warum sollen für 
uns andere Regeln gelten als für die aktuelle Berichterstattung in den 
Medien? Allerdings müsste darüber auch Konsens erzielt werden.

Bitte trennt diese drei Ebenen in der Diskussion, sonst reden wir 
ständig aneinander vorbei.

MfG -asb