[Wikide-l] [Fwd: Re: Die Stubenfliege - das verkannte Genie & Wikipedia]
Ulrich Fuchs
mail at ulrich-fuchs.de
Mo Mär 1 16:01:38 UTC 2004
> Wir brauchen also mehr solche Anfragen und einen kompletten Katalog aller
> Absagen und Zusagen. Bei öffentlich-rechtlichen Stellen ruhig mehrfach
> anfragen. Die sollen kapieren, dass ein öffentliches Interesse daran
> besteht, steuer- und gebührenfinanzierte Inhalte unter einer freien Lizenz
> oder gemeinfrei zu bekommen. Wenn sie genervt sind, um so besser.
Ich halte ein solches Vorgehen für extrem kontraproduktiv. Das schafft
schlechte Stimmung, statt gute Stimmung. Die (verständliche und durchaus
berechtigte) Argumentation einer öffentlichen, von der Allgemeinheit
finanzierten Stelle ist: "Wer mit den in unserem Besitz befindlichen
Inhalten, die wie für die Allgemeinheit verwalten, Geld verdienen will, muss
seinen Obulus an die Allgemeinheit entrichten (sprich: zu unserer
Finanzierung beitragen). Für einen 'guten Zweck' gibt's unsere Inhalte
irgendwie ja umsonst - das kriegen wir schon hin". Solange wir keine gute
Antwort haben, warum die Allgemeinheit auch eine *kommerzielle* Verwendung
von durch die Allgemeinheit finanzierten Inhalten einer gemeinnützigen
Verwendung gleichstellen soll, können wir uns jegliche Diskussion in der
Richtung schenken. Was beispielsweise motiviert von theoretischen
Gesichtspunkt die Gemeinfreiheit amerikanischer Regierungshervorbringungen?
Wer weiß da mehr?
Jede Behörde, jedes Museum etc. hat ne Gebührenordnung und einen festen
Rahmen, innerhalb dessen mit Bildrechten etc. umgegangen wird. Die wird kein
Behörden- oder Museumsleiter ignorieren, nur weil wir nett anfragen (oder ihn
sogar nerven - echt ne prima Idee...). Wenn wir in der Richtung was erreichen
wollen, dann nur sehr sehr langfristig. Dann müssen wir von unten anfangen,
müssen zeigen, dass Open Content eine durchaus auch volkswirtchaftlich
sinnvolle Vorgehensweise ist. Lasst uns erstmal Wikipedia machen, statt
Gesellschaftsveränderung. Die kommt dann schon von alleine. Die
Nutzungsrechte für Breughel und daVinci laufen uns nicht davon (und wenn sie
es täten, bekämen wir Argumente in die Hand). Wenn wir die Wikipedia in 20
Jahren mit solchen Inhalten ausstatten können, reicht es immer noch. Das muss
nicht übermorgen sein.
>
> Also: Weiter so! Die erste Anfrage beim WDR war ein Schritt in die
> richtige Richtung. Probiert's auch mal bei anderen Redaktionen. Wenn ihr
> ein Interview gebt, ruhig auch auf die Thematik ansprechen und um einen
> Gesprächstermin mit jemandem bitten, der da eine Entscheidung fällen kann.
> Mutlosigkeit und Angst vor dem "lächerlich machen", das ist eine Haltung,
> die der Pubertät vorbehalten bleiben sollte. Fehler machen ist nur dann
> schlimm, wenn man nix daraus lernt.
Ein Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen existierender gesellschaftlicher
Funktionszusammenhänge ist weitaus pubertärer. Wir sind ne Enzyklopädie, da
gehört es dazu, dass wir in allen Außenbeziehungen als ernstzunehmender
Gesprächspartner eingeschätzt werden. Kindische Anfragen, ob wir Content
geschenkt bekommen, schaden da - und sprechen sich vermutlich rum wie ein
Lauffeuer. Also lasst die Finger davon.
Uli