[Wikide-l] Urheberrecht von Bildern

Agon S. Buchholz asb at kefk.net
Sa Feb 14 18:00:33 UTC 2004


Rainer Zenz wrote:

> Wenn ich den Reprint einer gemeinfreien Abbildung einscanne und
> bearbeite (im Sinne von optimieren) dürfte weder überprüfbar sein,
> was genau meine Vorlage war noch eine unlautere Verwendung dahinter
> stehen.

Ja klar, Du kannst das Bild dann noch kontern, verzerren und kolorieren. 
Irgendwann kann man dann tatsächlich den Ursprung nicht mehr 
nachvollziehen. Bei eingescannten Bildern aus einer aktuellen 
Buchpublikation wird aber *garantiert* irgendwann jemand kommen, der 
anfragt, woher das Bild stammt (ich sage das nicht einfach so; ich habe 
mal ein Fotoprojekt gemacht, wo ich alte Stiche von Berliner 
Strassenszenen mit aktuellen Aufnahmen aus demselben Blickwinkel 
gegenüber gestellt habe und habe das dann aufgegeben, weil ich die Scans 
der Vorlagen (Stiche und Postkarten von 1870 ff.) aus verschiedenen 
Buchpublikationen (1980er/90er Jahre) nicht verwenden durfte). Bei einer 
privaten Homepage kann man das Risiko vielleicht eingehen, bei der 
Wikipedia oder eine eigenen Buchpublikation jedoch nicht (jeder Verlag 
wird dich im Autorenvertrag fragen, ob Du die vollen Bildrechte an 
eventuellen Abbildungen hast).

> Das Einscannen eines alten Stiches vom Original z.B. ist sicher keine
> schöpferische Leistung, die ein Urheberrecht nach sich zöge.

Das sehen Reprofotografen anders.

> würde ich durch das erneute Einscannen der daraus erstellten
> Reproduktion ja wieder ein Recht an der Reproduktion der Reproduktion
> erwerben. Das hätte was absurdes.

Da stimme ich Dir zu. Das ändert aber an der Rechtslage nichts: Wenn Du 
Abbildungen aus Büchern übernehmen willst, muss das Urheber-/ Nutzungs-/ 
Verwertungsrecht dieser Publikation abgelaufen sein. Wie das bei 
Nachdrucken gehandhabt wird, weiss ich nicht; vermutlich verlängert sich 
das Urheberrecht bei einem Reprint nicht, das weiss ich aber nicht.

Ich habe das ja schon mehrfach an anderer Stelle betont: Selbst wenn in 
einem Museum, das 4000 Jahre alte Objekte ausstellt, das Fotografieren 
erlaubt ist oder Du sogar Geld für eine Fotoerlaubnis bezahlt hast, gilt 
dieses Nutzungsrecht ausschliesslich für die rein private Verwendung; Du 
darfst die Bilder ohne Genehmigung des Museums nicht veröffentlichen.

Ich handhabe das folgendermassen (Beispiele siehe 
http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Asb/Fotogalerie), wie ich hoffe 
möglichst pragmatisch; man beachte dabei auch die Implikationen durch 
die für Bilder völlig ungeeignete GNU FDL, was die "Quellen" von 
Bilddaten angeht:

* Generelle Regel: Alles, wes ich im Web publiziere, hat Auflösungen von 
320 bis maximal 640 Pixeln in an der längeren Seite. Erstens sind die 
Datenmengen sonst nicht mehr zu bewältigen (meine private Website 
verbrät knapp 10 GB Festplattenplatz), zweitens kann dann niemand 
behaupten, bei zehnfacher Ausschnittsvergrössung der linken unteren 
Bildecke ein geschütztes Warenzeichen, seine Visage oderähnlichen Mist 
entdeckt zu haben.

* Luftbildfotos - in Nahost (Israel/Ägypten) generell verboten, da 
militärisch relevant, m.W. in Deutschland seit einigen Jahren erlaubt; 
ich gebe daher für Deutschland präzise an, was das Bild zeigt, für 
Nahost reicht mir ein "Sahara" bzw. im Falle von einer gewissen 
osteuropäischen Region "Balkan". Wer auch immer den Drang verspürt, 
diesen Fotos hinterherzurecherchieren, wird es dadurch schwerer haben, 
da er begrifflich durch eine Recherche kaum "rankommt". Für den Zweck 
des Bildes -- Beispiele für Luftbildfotos -- reicht mir das, für einen 
anderen Artikel zur Geographie einer bestimmten Region aber sicherlicht 
nicht.

* Bilder von Objekten aus Museen in Ägypten: Das Fotografieren ohne 
Blitz war erlaubt; die Bilder haben eine zu geringe Auflösung, um in 
kommerziellen Print-Veröffentlichungen wiederverwendet zu werden; ich 
gehe hierbei einfach davon aus, dass ich dadurch eine urheberrechtliche 
Abmahnung abbiegen kann.

* Bilder aus dem Ägyptischen Museum Berlin: Prinzipiell ähnliche 
Handhabung, aber volle Credits; ich hoffe hierbei auf den guten Willen 
der SMPK, eine schriftliche Genemigung zur Veröffentlichung habe ich 
aber nicht, das wäre angesichts hunderter Museen und der Arbeit für ein 
nichtkommerzielles Projekt nicht zu leisten.

Die Wikipedia bewegt sich m.E. in einem extrem komplizierten Rechtsraum; 
dabei spielen folgende Faktoren eine Rolle:
* der Serverstandort von wikipedia.org (USA) sowie die Domain 
wikipedia.de (BRD),
* wir sind nichtkommerziell und vielleicht bald sogar gemeinnützig; 
wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind vermutlich nicht ganz einfach,
* wir sind weder wissenschaftlich legitimiert, noch sind wir eine 
private Homepage, d.h. Sonderregelungen wie das wissenschaftliche 
Grosszitaz sind für uns nicht zulässig,
* wir sind kein Kunstwerk oder Kunstprojekt, und die in der Wikipedia 
veröffentlichten Bilder sind definitv keine Kunstwerke, an denen wir 
irgendwelche Nutzungsreche hätten (bestenfalls technische Reproduktionen 
der Kunstwerke von Dritten), die grundgesetzlich garantierte 
Kunstfreiheit betrifft uns also nicht,
* wir arbeiten nach dem Wiki-Prinzip, zu dem es m.W. in Deutschland noch 
überhaupt keine urheberrechtlichen Präzedenzfälle gibt, d.h. wir 
betreiben ohnehin rund um die Uhr Russisch Roulette.

Urheberrecht kann der Wikipedia das Genick brechen, ich sehe das auch 
als Hauptbedrohung, viel mehr als Vandalismus. Einen Fall wie die 
SCO-Posse bei Linux wird die Wikipedia möglicherweise nicht überleben, 
weil wir nie eine Lobby wie IBM im Rücken haben werden.

Momentan haben wir noch so etwas wie "Narrenfreriheit", weil sich bisher 
kein kommerzieller Lexikonverlag an uns stört; irgendwann *wird* die 
Wikipedia aber eine Qualität erreicht haben, wo Brockhaus & Co 
aufhorchen werden, ebenso wie das beim Linux-Kernel passiert ist, als er 
kommerzielle Relevanz bekam. Und *dann* wird die Hatz nach 
Urheberrechtsverletzungen losgehen, weil das einfach die nächstliegende 
Schwachstelle eines grossen Wikis ist.

Gruss, -asb