AW: [Wikide-l] Oh, mal wieder ein sehr netter Artikel

Katharina Bleuer kbleuer at dplanet.ch
Do Okt 28 10:16:50 UTC 2004


At 10:42 28.10.04 +0200, Ralph Teckentrup wrote:

> > der untote Elvis schrieb (Katharina Bleuer zitierend):
> >
> >
> > > Vor allem mögen sich diese Leute nicht von Dilettanten reinpfuschen
> > > lassen oder ihre Tage damit verbringen, Leuten ohne Ahnung aber mit
> > > viel Meinung
> > [...]
> > > einbringen und zur Verfügung stellen ist eins, aber dafür auch noch
> > > ständig angeraunzt werden, das brauch auf Dauer keineR.
> >
> > kann ich zustimmen.
> >
> > aber leider sind auch scon viele gekommen mit der meinung,
> > "ich prof du nix" und dann nichtmal versuchthaben
> > nachzusehen, was die wikipedia ueberhaupt ist.
>
>"Prof(i)s", die sich von "Dilettanten" nicht reinpfuschen lassen wollen,
>sind in der sehr oft (und ich spreche da aus langjähriger akademischer
>Erfahrung) genau diejenigen, deren Fachwissen und deren
>Darstellungskompetenz sich meist auf dem Niveau ihrer Großväter oder
>klischeebeladener Lehrbücher für die Sekundarstufe bewegt (mal polemisch
>zugespitzt). Wissenschaftler, die nicht autoritativ auf ihrem Status
>beharren, die nicht jede (und oft wichtige und innovative) Idee eines
>"Laien" abkanzeln, haben oft überhaupt kein Problem damit, ihre Thesen auch
>gegenüber Nichtfachleuten zu vertreten. "Profis", die sich von Dilettanten
>gestört fühlen, bleiben doch besser in ihrem Professorenbüro und belästigen
>nicht ihre Umwelt mit ihrer Allwissenheits-Attitüde.

In diesem Punkt kann ich Dir leider nicht widersprechen :-)

Leider weicht das Thema aber bereits wieder ab von dem, was ich ausdrücken 
wollte. Sagen wir es so: Es ist einfach extrem schwierig und nervtötend, 
mit jemandem über Integralrechnung zu diskutieren, der mal was darüber 
gelesen hat (und deshalb eine Meinung dazu hat), der aber nicht weiss, dass 
1 + 1 = 2 ist. Und der anschliessend argumentiert, man müsse ihm erst mal 
beweisen, dass dies zutrifft und ihm erklären, weshalb. Schlimmer noch: 
Erst mal muss man darauf kommen, dass er deine Aussagen über die 
Integralrechnung aus dem alleinigen Grund nicht akzeptiert und 
widerspricht, weil ihm die wissenschaftlichen Grundlagen völlig fehlen. Wie 
soll ich sagen: So macht es einfach keinen Spass. Ein wissenschaftlicher 
Disput mit Leuten, die +/- dasselbe Wissensniveau haben (und die Grundlagen 
intus!) kann Spass machen und für alle zu befriedigenden Lösungen und 
Lernerfahrungen führen. Aber mit jemandem über Integralrechnung 
diskutieren, der nicht weiss, wie man 
Addiert/Subtrahiert/Multipliziert/Divergiert und dir auch nicht glaubt, 
dass er diese Grundkenntnisse benötigt um überhaupt verstehen zu können, 
was du über Integralrechnung sagst, ist nicht interessant, sondern mühsam.

Das hat auch nichts mit akademischer Arroganz zu tun, sondern ganz einfach 
mit Spass oder nicht Spass. Eine Freizeitbeschäftigung sollte Spass machen.

>Damit will ich nicht bestreiten, daß mir bei Wikipedia auch immer wieder
>Edits auffallen, die offenbar von Leuten mit viel Meinung und wenig Wissen
>fabriziert wurden, deren Fähigkeit sich überzeugen zu lassen gegen Null
>geht. Faszinierenderweise ist das aber unter akademischen Profis oft auch
>nicht anders :-) Ich erinnere mich an lange, unfruchbare und zum Teil völlig
>inkompetent geführte professorale Debatten in der Germanistik oder -
>schlimmer noch - der Soziologie.
>
>Ich würde also vorschlagen, allen akademischen Dünkel fahren zu lassen, und
>sich um die Qualität der Artikel zu kümmern - und dazu evtl. befreundete
>Fachleute zu motivieren, auch mal ihren Senf beizusteuern.

Ich könnte keiner Kollegin mit gutem Gewissen vorschlagen, in meinem 
Fachgebiet mitzuschreiben. Natürlich wäre es nötig um die Qualität 
anzuheben, aber wenn Du dann 9/10 der dir zur Verfügung stehenden Zeit 
damit verbringst, Deinen Wissensvorsprung auf die Bildleser mit den 
Ellbogen verteidigen zu müssen und ihnen im Schnellgang 4 Semester 
Grundstudium verpassen musst, damit sie überhaupt fachlich in der Lage sind 
zu verstehen, dass Deine "unbelegten Behauptungen" keine Solchen sondern 
auf Fachwissen basierende logische Folgerungen sind, ist es einfach nur 
mühsam und nervtötend.


>Übrigens möchte ich noch anmerken, daß Akademiker nicht nur der
>Naturwissenschaften, sondern leider auch der Geistes- und
>Sozialwissenschaften zwar mitunter (selten genug!) über profundes Fachwissen
>verfügen, ihre Sprachkompetenz aber damit nicht immer Schritt hält. Was
>wären die Artikel in der Wikipedia ohne die vielen "Dilettanten", die sich
>bemühen, sprachliche Ungereimtheiten zu glätten oder Links zu fixen?

Von denen sprech ich nicht. Sondern von denen, die irgendwo auf einer 
(meist zudem ideologisch gefärbten) Webseite irgendwas über ein Thema 
gelesen haben und sich dann gleich als Spezialist fühlen.


>(...)
>
> > in der wikipedia ist nunmal ein anderes authoritaetsmoedll
> > als in einer uni. in der uni ist festgelegt, wer was zu sagen
> > hat. in der wikipedia verdient man es sich, indem man gute
> > arbeit liefert. damit werden leute abgeschreckt, die es
> > gewohnt sind, dass alle nur zuhoeren und mitschreiben.
>
>
>Völlig richtig, wenn auch idealtypisch dargestellt.
>Was - zu meiner anfänglichen Überraschung - in Wikipedia weit weniger nervt,
>sind die Selbstdarstellungsversuche der in universitären Veranstaltungen
>leider immer vorhandenen Soziopathen und Profilneurotiker. Irgendwie sind
>Wikis dagegen zwar nicht immun, erlauben aber auch weniger lautstark
>auftretenden und kompetenteren Menschen, sich gegen die Nervhansels
>durchzusetzen. Zwar gibt es regelmäßig Leute, die mit Schwachsinns-Beiträgen
>(ich denke da etwa an Debatten und edit wars über die Bedeutung des Wortes
>"Islam" vor einigen Wochen oder den Versuch, die "Scharia" als in der Bibel
>verankert darzustellen) sich nicht durchsetzen können, und wochenlang Zeter
>und Mordio schreiend sich als Opfer schlimmer Vorurteile und
>"undemokratischer" Strukturen darstellen. Aber wundersamerweise verlieren
>die irgendwann die Lust und die von ihnen malträtierten Artikel sind am Ende
>besser als vorher, weil sie die Aufmerksamkeit von kompetenten Leuten darauf
>gelenkt haben.

Magst Du [[Sexueller Missbrauch von Kindern]] übernehmen, bis ich aus dem 
Urlaub zurück bin? Dann reden wir noch mal über akademische Dünkel, 
Soziopathen und Profilneurotiker ;-)

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