[Wikide-l] [Fwd: Antwort: wikipedia-artikel im aktuellen Spiegel 10/04]

Erik Moeller erik_moeller at gmx.de
Mo Mär 1 23:38:27 UTC 2004


Ulrich-
> Superlativ leichtfertige Einzelaktionen verlangen superlative Entgegnungen,
> damit ein Problem auf die Tagesordnung gesetzt wird.

Du solltest Deinen Mitstreitern etwas mehr gesunden Sachverstand zutrauen.  
Wir brauchen keinen Uli, der uns sagt, wann und wie wir uns "lächerlich  
machen" und uns wie "Deppen benehmen", um über Sachverhalte intelligent zu  
diskutieren.

> Es kann nicht mehr länger angehen, dass jeder irgendwie wie er lustig und
> launig ist, bei Verlagen etc. "herumbettelt".

Das kann nicht nur, das muss sogar.

> Jetzt könnten wir unseren Verein gut brauchen.

Auf jeden Deutschen müssen ja auch mindesten 3,8 Vereine kommen. An der  
Satzung kann sich dann jemand wie Du richtig austoben.

> Habt Ihr Euch eigentlich mal zu Gemüte geführt, was die Standardantwort von
> "Brockhaus" und "wissen.de" auf die Wikipedia ist?

Hm, ja, ich kann mich an mein Interview mit Herrn Holoch noch recht gut  
erinnern. Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich auf wikien-l und  
wikipedia-l ausführlich über verschiedene Verfahren zur Qualitätskontrolle  
diskutiert habe und derzeit an einem Whitepaper zum Thema arbeite. Ich  
kann mich auch an diesen Qualitätsvergleich erinnern, den ich für  
Telepolis gemacht habe, aber das ist schon eine Weile her. Oh ja, und an  
die englische Variante der "Kandidaten für exzellente Artikel", die ich  
gebastelt habe. Was hast Du zur Qualitätskontrolle bisher geleistet?  
Abgesehen davon, dass Du uns regelmäßig daran erinnerst, wie furchtbar  
unprofessionell wir alle sind, meine ich.

> Und dem kann man nur entgegnen, wenn man immer und
> überall professionell auftritt

Soso, zur Qualitätskontrolle muss man also "professionell auftreten". Das  
nennt man, denke ich, einen Non-Sequitur. Unsere Artikelqualität ergibt  
sich aus den Prozessen, mit denen wir diese Qualität erreichen. Es ist  
entscheidend, dass diese Prozese funktionieren. Es ist wichtig, dass wir  
uns gegenüber der intellektuellen Allgemeinheit sympathisch präsentieren  
und dass wir in Medienberichten vermitteln, warum unsere Prozese  
funktionieren. Aber die reale Qualität unserer Artikel ist entscheidend.

> und sich als durch und durch kompetenter,
> seriöser, richtig langweiliger Enzyklopädistenverein geriert.

"Freunde der Wikipedia" kann durchaus ein langweiliger  
Enzyklopädistenverein sein, "Wikimedia e.V." sollte dagegen frisch,  
kreativ und ungehemmt sein. Weißt Du eigentlich, was für einem  
Radikalinski die Wikimedia-Stiftung untersteht? Jimmy Wales handelt mit  
Porno-Bildern und ist ein sog. "Libertärer", d.h. er lehnt die Existenz  
des Staates aus Prinzip ab. Wenn er eine mögliche Beschränkung seiner  
enzyklopädischen Freiheiten sieht, wird er fuchsteufelswild. So z.B. in  
einem Thread über ein US-Gesetz, das die Kooperation mit Mitarbeitern aus  
"Schurkenstaaten" gefährden könnte:

"As for me personally, I intend to just plain and simple ignore this as
bureaucratic fantasy.  I can't imagine this passing constitutional
muster for even a second.  I defy the government to bring a case
against me or any of you or the Wikimedia Foundation over this.
They'll look like complete idiots and be laughed out of court."

Das ist ein Mann nach meinem Geschmack. Ich teile zwar seine politischen  
Ansichten nicht, aber er versteht, dass es bei uns nicht darum geht,  
langweilig zu sein, sondern eine *freie* *Enzyklopädie* zu schaffen und  
alle Hindernisse, die sich dabei in den Weg stellen, zu beseitigen, mit  
den dazu erforderlichen Mitteln. Wenn das ein Rechtsstreit ist, ist es  
eben ein Rechtsstreit.

> Wir müssen - symbolisch gesprochen - in der Öffentlichkeit das Bild von
> Weißbebärteten Herren und grauhaarigen Damen mit großen Brillen und noch
> größerer Erfahrung abgeben, nicht das von langhaarigen Bombenlegern
> (nochmal: symbolisch gesprochen, nicht dass mich jetzt jemand
> missversteht).

Klar, wir sprechen ja immer nur "symbolisch" und "hypothetisch", haha.  
Kurt, pack schon mal Deine Sachen.

> Den Nimbus, der diese Marken umgibt zu knacken, das ist die eigentliche
> Aufgabe.

Nein, ist es nicht. Die eigentliche Aufgabe ist es, eine freie  
Enzyklopädie von hoher Qualität zu schaffen. Was Du dagegen möchtest, ist  
mit viel Aufwand den *Eindruck* einer solchen Enzyklopädie zu vermitteln.  
Der Eindruck spielt aber eine untergeordnete Rolle. Wer lieber den Großen  
Brockhaus im Schrank hat, dem steht es frei, Wikipedia zu ignorieren. Über  
kurz oder lang werden wir aber alle Suchen im Internet dominieren (im  
Englischen tun wir das jetzt schon zu einem nicht unerheblichen Grad), und  
hier ist nicht so sehr der *Eindruck* wichtig, den die Leute von uns  
haben, sondern die *reale Qualität* unserer Artikel.

Und ein Weg, diese Qualität zu fördern ist es, bei allen denkbaren Stellen  
nachzufragen, um interessantes Material unter einer freien Lizenz zu  
bekommen. Wenn das Deiner Meinung nach an der Fassade kratzt, dann sage  
ich: Wir sind keine Fassadenkünstler.

Deine Rhetorik erinnert mich an die vom "Marsch durch die Institutionen".  
Wo dieser Marsch endete, wissen wir heute: bei Joschka Fischer. Exzellente  
Fassade, riesiges Arschloch. Meine Vorbilder sehen anders aus.