[Wikide-l] Wikipedia und deutsches Recht

Agon S. Buchholz asb at kefk.net
Do Dez 2 21:58:38 UTC 2004


Klaus Graf wrote:

[ Linkhaftung ]

>> Linkhaftung bei Publikationen im
>> Internet, die nicht dem besonderen Schrankenvorbhalt des Art. 5 GG
>> für Presseorgane unterliegen (BGH-Urteil "Schöner Wetten" ist daher
>> nicht auf die Wikipedia übertragbar).

> Man darf gern noch so nassforsch solche unbewiesenen Behauptungen
> aufstellen - richtiger werden Sie dadurch gluecklicherweise nicht. Es
> kann nach meinem bescheidenen Dafuerhalten ueberhaupt kein Zweifel
> daran bestehen, dass die redaktionelle Taetigkeit der Wikipedia vom
> Grundrecht des Art. 5 GG erfasst wird. Die Wikipedia ist eindeutig
> ein Mediendienst (siehe etwa nur 
> http://www.jurpc.de/rechtspr/20030126.htm )im Sinne des 
> Mediendienste-Staatsvertrags.

All das wird die -- letzlich hoffentlich höchstrichterliche --
Rechtsprechung klären müssen, wenn das Fall für Wikipedia akut wird. Ich
habe auch überhaupt keine Lust, die rechtsbeugenden und -biegenden
Argumentationen von Leuten wie Herrn H. von Kanzlei W. zu begründen; ich
kann hier nur auf das hinweisen, was diese Kanzlei anscheinend bereit
ist, vor Gericht zu vertreten. Demnach gilt der Schrankenvorbehalt der
Pressefreiheit ausdrücklich nicht für Unternehmungen wie Wikipedia, die
nicht in den Kontext eines Pressunternehmens eingebettet sind.
Unstrittig dürfte jedenfalls sein, dass Wikipedia weder ein
Druckerzeugnis ist, noch unter die Regelungen des RStV fallen dürfte.

Wenn man das BGH-Urteil I ZR 317/01 vom 1.4.2004 darauf hin durchliest,
findet man dort diese Einschränkung des Geltungsbereichs dieser
Entscheidung auf formal fassbare "Pressorgane" tatsächlich ("Nach den
Umständen hatte sie zwar schon bei dem Setzen des Hyperlinks Anlaß,
näher zu prüfen, ob sie dadurch ein rechtswidriges, im Hinblick auf die
Vorschrift des § 284 StGB sogar strafbares Handeln, unterstützt; ihre
Verantwortlichkeit war aber dadurch begrenzt, daß sie den Hyperlink als
Presseunternehmen nur zur Ergänzung eines redaktionellen Artikels
gesetzt hat.").

Ob Wikipedia ein Mediendienst im Sinne von § 2 Abs. 1 MDStV ist, mag man
diskutieren; wir sind allerdings weder Teleshopping, noch Fernsehtext
oder Video-/ Audio on Demand, es blieben also allenfalls Datendienste.
Ebenso könnte man versuchen, die Wikipedia als Teledienst nach § S Abs.
1 TDG zu definieren ("Angebote zur Information und Kommunikation"). Wenn
man die Kommentare und Erläuterungen ("Mainzer Rechtshandbuch der Neuen
Medien") dazu durchliest, wird man aber feststellen, dass das alles
nicht so recht auf die Wikipedia zutreffen will.

Wenn hier der Raum ist, über die rechtliche Zuordnung der Wikipedia zu
diskutieren, können wir das gerne versuchen; ich finde das aber recht
akademisch, weil die "Gegenseite" bereits eine klare Positionierung
durch praktizierende Anwälte vorgenommen hat. Auch und gerade der
Geltungsbereich des Art. 5 Abs. 1 (und ggf. auch noch des Abs. 3) ist ja
eben in Frage gestellt.

MfG -asb