Hallo,
ich hab mir grade mal die Bylaws der Foundation durchgelesen
(
http://www.wikimediafoundation.org/bylaws.pdf) und muss sagen, ich
bekomme Bauchschmerzen davon:
Section 2. USER ACCOUNTS OF MEMBERS. All applicants for contributing or
volunteer active membership shall maintain a user account on one or
several Wikimedia projects (i.e. Wikipedia of any language, Wikibooks,
etc.), complete and sign the form of application provided by the
Foundation on it’s web site and submit the application the Secretary
along with payment of the year’s membership dues, if applicable, through
such web site or by mail. Such application shall include an agreement by
the applicant to abide by the Foundation's Code of Ethics, submission
standards and other policies as are time to time adopted or modified by
the Board of Trustees.
Section 4.3. REMOVAL FOR CAUSE. Members of any classification may be
removed from all membership categories for cause by a four-fifths vote
of the Board of Trustees, such decision shall be final and unappealable.
For any cause, other than non-payment of dues, removal shall occur
only after the member against whomever the complaint was made, has been
advised of the complaint and has been given reasonable opportunity for
defense before a committee to be formed and convened only should the
occasion arise. The Board of Trustees, at it’s sole discretion, may
maintain or remove any such user’s account from any of its projects upon
such removal for cause which may also be for successive membership terms
(i.e. numbers of years); such removal shall mean said individual shall
not be allowed to contribute to any Wikimedia project until said time
is completed. This removal process shall not be the same as the process
of temporary (long or short term) suspension of member editing
privileges on any Wikimedia project.
Also kurz gefasst, was bisher Jimbos Privileg als benevolent dictator
war, nämlich die endgültige Verbannung von Benutzern, wird jetzt auf die
Foundation übertragen. Die Foundation definiert auch, welche Regeln
gelten - für sämtliche Wikimedia-Projekte.
Die Mitglieder dieser Foundation haben ein einziges Recht, nämlich das
Board of Trustees zu wählen, alles andere liegt bei den Trustees (auch
Satzungsänderungen).
So, und jetzt denken wir mal pessimistisch: Jimbo hat sich bisher nie in
die internen Angelegenheiten der deutschen Wikipedia eingemischt,
einfach weil er die Sprache nicht versteht. Die derzeitige Verfassung
der Foundation gibt hingegen dem Board of Trustees im Endeffekt das
letzte Wort über das, was mit der deutschen Wikipedia passiert - ohne
irgendwie sicherzustellen, dass die deutschen (und österreichischen und
schweizerischen) Wikipedianer überhaupt damit einverstanden sind oder
irgendwelche Sprachvertreter zu bestellen.
Ernstfall: fünf Amis, die keiner in der deutschen Wikipedia kennt, die
aber als Board of Trustees gewählt wurden, weil nun mal die Mehrheit der
Foundation-Mitglieder Amerikaner sind, entscheiden, dass ein Benutzer
aus der deutschen Wikipedia fliegt (oder sonstwie gemaßregelt) wird,
weil er den aktuellen amerikanischen Präsidenten beleidigt hätte.
Sorry, das entspricht nicht meiner Vorstellung von demokratischer
Organisation.
Für uns stellt sich IMO nicht mehr die Frage, wann und wie wir einen
Verein gründen, sondern dass die deutschen, österreichischen und
Schweizer Wikipedianer ausreichend Selbstbestimmungsrechte über "ihre"
Wikipedia erhalten - innerhalb der Foundation.
Meineserachtens kann das am besten über deutsche, österreichische und
Schweizer Organisationen (nennen wir sie Vereine ;-)) gelöst werden, die
Vertreter bestimmen, die die deutsche Wikipedia innerhalb der
Foundation repräsentieren. Kurz, die Foundation braucht zur Exekutive
(dem Board of Trustees) noch eine Art "Länder- und Projektsrat" (eine
Exekutive kann nicht aus über 50 Delegierten bestehen), der gegenüber
den Trustees gewisse Einflußrechte besitzt. Fünf Trustees, die im
Endeffekt Regelungsgewalt über alles besitzen, sind mir zu wenig. Und
die Projekte brauchen eine interne Autonomie, bzw. sollte klargestellt
sein, was "von oben" dekretiert werden darf und was die Projekte intern
regeln.
Letzter Punkt, auch wenn es momentan reichlich lächerlich klingt: IMO
braucht diese Foundation auch ein unveränderliches "Grundgesetz", in dem
Sachen wie NPOV festgeschrieben sind.
Ein Fork, wenn der Ernstfall eintritt, ist keine erstrebenswerte Lösung,
besser kümmern wir uns jetzt darum, dass so etwas nicht vorkommen kann.
Zu den Namensrechten und Trademarks, die auf wikipedia-l auch
thematisiert wurden, stelle ich mal die philosophische Frage: "Was _ist_
die Wikipedia?" Ist das der Server, auf dem die Software läuft und die
Datenbank liegt - oder sind das die unzähligen eingeloggten oder
anonymen Benutzer, die diesen Datenbestand aufgebaut haben und pflegen?
Sicher, Jimbo hat endsviel Geld in dieses Projekt gesteckt und es damit
erst ermöglicht. Aber realisiert hat es die Community der Wikipedianer,
und damit "gehört" es diesen in gleicher Weise.
viele Grüße,
elian